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Berlin: Das Bären-Puzzle

Am Donnerstag beginnt die Berlinale. Das ist kaum zu übersehen – den Plakaten von Julia Rahne sei Dank

Der Schuh des alten Manitu hat vor 40 Jahren noch niemanden interessiert, Winnetous Mokassin dafür um so mehr – aus weichem Wildleder, von Nscho-Tschis Hand mit bunten Perlen bestickt. Undenkbar für jeden Indianerfreund, das „Bravo“-Heft mit dem Mescalero-Schuhwerk nicht zu erwerben und den Häuptling womöglich fußamputiert durchs Kinderzimmer humpeln zu lassen.

So, das war die obligatorische Rückblende, ohne die nur wenige Filme auskommen, und um die geht es hier nun mal, wenn auch vor allem um neue. Aber der kleine Exkurs in die Filmwelt der Kindheit hat Julia Rahne durchaus gefallen. Mit den Plakaten der diesjährigen Berlinale hat die Designerin die Visitenkarte des Festivals geschaffen, und deren Grundidee ist nun mal dem kulturhistorischen Modell „Starschnitt“ sehr nahe.

Seit gut zwei Wochen ist in Berlin wieder der Bär los, wie immer um diese Zeit. Die Schnauze neugierig gereckt, die Tatzen wie zur Begrüßung der Stars erhoben, bevölkert er die Straßen, winkt von Plakatwänden herunter, blickt einem aus Programmen und Flyern entgegen – diesmal freilich selten komplett. Mal ist es nur ein Ohr, mal eine Pfotenspitzen, gar der Po – kurz: Das Fell des Bären ist verteilt, bevor die Berlinale angefangen hat.

Das ist das Konzept: mit den Plakaten widerzuspiegeln, dass die Berlinale ein Festival aus vielen Sektionen mit eigenem Profil ist. Dies war als Aufgabe ausgeschrieben worden, und so hat es Julia Rahne gelöst: ein Bären-Puzzle aus acht Plakaten. Zusammengesetzt ergeben sie das Logo der Berlinale, einzeln aber stehen sie für eine seiner Sektionen – jedes mit individueller Grundfarbe, zum Beispiel Orange für den Wettbewerb, Grün fürs Panorama oder Blau fürs Kinderfilmfest. Leuchtende, frühlingshafte Farben sollten es sein, als bunter Gegensatz zum Grau der winterlichen Stadt.

Mit der 1966 in Stuttgart geborenen Grafikdesignerin Julia Rahne hat das Filmfestival, wenn man so will, wieder eine neue Maskenbildnerin bekommen. Jahrzehntelang, von 1977 bis 2001, hatte der Berliner Grafiker Volker Noth das Gesicht der Berlinale mit seinen Plakaten geprägt. Erst Festivalchef Dieter Kosslick ließ den Entwurf ausschreiben, viermal hatte die Grafikerin Antonia Neubacher den Zuschlag erhalten. Auch Julia Rahne musste sich mit ihrer Agentur „Rotes Auto“ in einer Ausschreibung gegen fünf Konkurrenten durchsetzen.

Seit 1995 lebt sie in Berlin, hatte in Essen Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Künstlerische Fotografie studiert, sich danach auf Grafikdesign konzentriert. Erst arbeitete sie freiberuflich, bei Agenturen und an eigenen Projekten, Künstlerkatalogen beispielsweise. 1999 gründete sie mit Kollegin Anette Maechtel das „Rote Auto“, mittlerweile ansässig in der Choriner Straße in Prenzlauer Berg – keine Agentur im engeren Sinne, mehr ein Netzwerk aus Designern, Architekten, Fotografen, Filmemachern, die Kulturprojekten oder auch Firmen ein Gesicht geben, durch Plakate, Webseiten, Kataloge, Ausstellungen, Workshops und anderes mehr. Für Julia Rahne sind das „Inhalte von Unternehmenskommunikation“ – ein sperriger Titel für die von ihr angebotenen Produkte, da ist ein konkretes Symbol wie ein rotes Auto als Gegengewicht sicher nützlich.

„Das rote Auto bin ich“, so ein Satz rutscht Julia Rahne mittlerweile schon mal raus, schließlich trägt sie bei Projekten wie den Berlinale-Plakaten die Verantwortung, hat die letzte Entscheidung. Aber dann relativiert sie das gleich wieder, bestimmt ihre Rolle nur als „Creative Direktion“, deutet das „Rote Auto“ als Label, dessen Produkte immer im Team entstehen. Sehr konsequent ist sie bei ihrer eigenen Corporate Identity allerdings nicht. Ihre Visitenkarte jedenfalls zeigt kein schickes rotes Auto, sondern ein eher gemütliches Transportmittel: einen kleinen Dampfer.

Informationen im Internet unter: www.rotesauto.de

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