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Die Plattenbauten an der Wartenberger Straße in Hohenschönhausen bekommen eine zweite Chance.

© Kitty Kleist-Heinrich

Das Erbe der DDR in Berlin: Investoren entdecken die Platte

Die Abrissbirne kreist nicht mehr über der sozialistischen Platte. Nach Jahren des Leerstands werden Wohnblöcke und Behörden aus DDR-Zeiten von Investoren zu neuem Leben erweckt.

Eigentlich bestand kaum noch Hoffnung für die grauen Betonburgen aus der Spätphase der DDR. Neun Plattenbauten im Karree an der Wartenberger Straße in Hohenschönhausen, seit der Wende zu Ruinen verkommen, 2007 verkauft. Mehr als 600 leerstehende Wohnungen. Der Bezirk Lichtenberg wartete bislang vergeblich auf ein schlüssiges Konzept des Eigentümers. Das ehemalige Wohnheim für DDR-Vertragsarbeiter entwickelte sich zum Dauerärgernis für die Anwohner, doch jetzt kommt plötzlich Bewegung in die Platte.

Plattenbauten in Lichtenberg werden saniert

„Wir haben mit dem Investor eine Einigung erzielt“, sagt Lichtenbergs Baustadtrat Wilfried Nünthel (CDU). Die Blöcke sollen saniert werden. Die Zielmarke liegt bei 625 unterschiedlich großen Wohnungen zu erschwinglichen Mieten. „Ein fetter Brocken“, sagt Nünthel, und ein Zeichen, dass der viel geschmähte DDR-Plattenbau auch im privat finanzierten Wohnungsmarkt eine Renaissance erlebt. Wie viele Euro-Millionen in die neun Blöcke fließen sollen, ist unklar. Der Investor aus Neuss am Rhein war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Investoren kommen aus dem Westen

Offenbar sind es vor allem Nicht-Berliner, die in die DDR-Architektur investieren. Die Unternehmer Lutz Lakomski und Arndt Ulrich aus Dernbach im Westerwald revitalisieren seit einigen Jahren leerstehende DDR-Funktionsbauten, um die Immobilienhaie normalerweise einen großen Bogen machen. Einen langen Behördenriegel an der Frankfurter Allee bauten sie für rund 20 Millionen Euro zum Wohnhaus für Studenten und Singles mit geringem Einkommen aus. Auf der ehemals schmutzigbraunen Fassade prangt jetzt ein großes blaues „Q 216“ auf weißem Untergrund. Ein Hingucker.

Die ehemalige Stasi-Baubehörde an der Gehrenseestraße, Hohenschönhausen, in neuem Gewand. Das ist aber noch Zukunft.
Die ehemalige Stasi-Baubehörde an der Gehrenseestraße, Hohenschönhausen, in neuem Gewand. Das ist aber noch Zukunft.

© Simu: GPU

Ulrich und Lakomski haben sich vorgenommen, Wohnraum für die Gentrifizierungsopfer ihrer Kollegen aus der Luxusklasse zu schaffen. Die 35 Quadratmeter kleinen Apartments gibt es für rund 350 Euro warm. Die Nachfrage ist groß, trotz fehlender Balkone und der „verkehrsgünstigen“ Lage. Das Haus steht zwischen der sechsspurigen Frankfurter Allee und den Gleissträngen des Bahnhofs Lichtenberg .

Plattenbauten sind nicht sexy?

An der Konrad-Wolf-Straße bauen die beiden Investoren klassische Plattenbaublöcke zu Kitas, Pflege-WGs und Apartments aus. Neuestes Projekt ist die ehemalige Baubehörde der Stasi an der Gehrenseestraße 100. Der seit langem leerstehende, völlig verkommende Bau soll für 15 Millionen Euro in eine Wohnanlage mit Kita umgewandelt werden. „Plattenbauten sind nicht sexy“, sagt Lakomski, aber ideal, um günstigen Wohnraum zu schaffen. Da spielt vor allem der günstige Kaufpreis eine Rolle. Und ein „einfacher, effektiver Baustil“, mit langen Gängen, geeignet für kleine bescheidene Wohneinheiten.

Bis 2005 wurden Plattenbauten in Marzahn und Hellersdorf noch abgerissen. Insgesamt 4400 Wohnungen verschwanden so aus der Stadt. Nach heutigen Maßstäben hätte man sie besser sanieren sollen. Die „Platte“ erlebt inzwischen ihre Rehabilitierung. Die Wohnungsnot befördert eine neue Wertschätzung der Großsiedlungen an der Peripherie. Hinzu kommt, dass sich die Plattenbauten in Marzahn, aber auch in den westlichen „Großtafelsiedlungen“ wie Märkisches Viertel und Gropiusstadt mit vergleichsweise geringen Auswirkungen auf die Miete energetisch sanieren lassen.

Die Platte ist attraktiv geworden

Der Leerstand bei Plattenbauten liegt laut Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) inzwischen bei 2,7 Prozent. In Hohenschönhausen stehen nur noch ein Prozent der Plattenwohnungen leer. „Die Platte ist attraktiv geworden“, sagt BBU-Sprecher David Eberhardt. Durch den Zuzug von Mietern aus der Mittelschicht verbessere sich auch die soziale Mischung in den Quartieren. Lutz Lakomski sieht die Platte eher als pragmatisches Vehikel, um schnell günstigen Wohnraum zu schaffen, ohne öffentliche Förderung. 600 Wohnungen stehen in seiner Bilanz. „90 Prozent davon sind für Hartz-IV-Empfänger geeignet.“

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