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Berlin: Das Geschäft mit den Schulden

Unseriöse Insolvenzberater profitieren von der Not anderer. Dabei helfen offiziell anerkannte Stellen gratis

Berlin ist die Stadt mit den meisten überschuldeten Haushalten. Die Senatsverwaltung für Soziales schätzt, dass rund 165 000 Haushalte – das ist knapp ein Zehntel – ihre Schulden nicht mehr in den Griff beikommen können.

Die offiziellen Schuldnerberatungsstellen haben alle Hände voll zu tun. Um sich mit ihrer Hilfe über ein Privatinsolvenzverfahren von den Schulden zu befreien, muss man bis zu acht Monaten Wartezeiten in Kauf nehmen. Für manche Betroffene scheint das ein so unüberschaubarer Zeitraum zu sein, dass sie auf unseriöse Angebote zur Schuldenregulierung hereinfallen. „Diese werben oft damit, dass sie sofort aktiv werden können und auch nach Hause kommen“, sagt Olivia Manzke, zuständige Referentin bei der Sozialverwaltung. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: Nur Stellen, die von der Senatsverwaltung zugelassen sind, dürfen die Beratung übernehmen.Seit 1999 hat es laut Manzke rund 40 Anzeigen beim Landeskriminalamt gegeben. Bis zu einige hundert Euro zahlen die Klienten für eine Beratungsleistung, die oft ungenügend ist und von anerkannten Beratungsstellen unentgeltlich erbracht wird.

Peter Zwegat von der Friedrichshainer Beratungsstelle Dilab hat allerdings die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist, gegen die Anbieter vorzugehen, da die Betroffenen mit ihren Geldproblemen genug zu tun haben und nicht noch Anzeige erstatten wollen. Die zugelassenen, gemeinnützigen Beratungsstellen merken inzwischen die Auswirkungen. In manchen Bezirken kommen bereits weniger Leute in die allgemeinen Sprechstunden. Monika Wächter von der Schuldnerberatungsstelle in Tiergarten hat zudem beobachtet, dass die unseriösen Berater gezielt unter türkischstämmigen Menschen auf Kundenfang gehen.

Die Anbieter geben sich vom Namen her einen seriösen Anstrich und legen ihre Flyer in Job-Centern aus. Zwegat hat beobachtet, dass die eigenen Infobroschüren im Papierkorb gelandet waren und stattdessen die der kommerziellen Anbieter auslagen. Zudem berichtet er von einem weiteren Trend: Über Inserate werden Arbeitslose als „Insolvenzbetreuer“ gesucht – vorherige Qualifikationen sind nicht nötig. Angeblich sollen Interessierte in einem sechswöchigen Kurs geschult werden. Tatsächlich sind es nur zwei Tage, in denen sie vor allem lernen, wie sie Kunden akquirieren und was zu kassieren ist.

Auch die künftigen „Insolvenzbetreuer“ müssen zahlen: 120 Euro kostete der Lehrgang in einem Fall, wie eine Mitarbeiterin einer Schuldnerberatung erfuhr, als sie inkognito an einer Schulung teilnahm. Den Teilnehmern wird empfohlen, über Flyer oder das Ansprechen von Besuchern in Job-Centern den Kontakt zu Kunden zu suchen.

100 Euro werden beim ersten Hausbesuch fällig, weitere Gebühren folgen. Zu den Aufgaben der Werber gehört, Unterlagen für das Insolvenzverfahren zusammenzustellen, die an einen Rechtsanwalt geschickt werden. Einen direkten Kontakt der Hilfesuchenden zu dem Juristen gibt es nach Angaben von Schuldnerberater Zwegat in der Regel nicht. Da vorher keine vernünftige Beratung stattgefunden habe, sei nicht abzusehen, ob das Verfahren erfolgreich ausgehen wird. Und dann, so Zwegat, sei die Chance für eine Entschuldung für Jahre vertan.

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