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Berlin: Das Internet wird zum Netz der Fahnder

Digitale Spur verriet Kannibalen in Hessen / Berliner Polizei ermittelt erst, wenn sie Hinweise erhält

Die Anzeige stand im Internet, ihr Inhalt schien den Fahndern unglaublich. Ein 41 Jahre alter, homosexueller Computerspezialist suchte darin einen Mann, der sich von ihm töten und verspeisen lässt. So bizarr das Gesuch klang: Als die Beamten des Bundeskriminalamtes ihm nachgingen, klärten sie einen Mord auf, der als „kriminalhistorisch einmalig“ gilt. Dabei waren sie nur durch Zufall darauf aufmerksam geworden.

Die Ermittler in Meckenheim suchen fast rund um die Uhr im Internet, ob sich irgendwo Hinweise auf geplante Verbrechen finden, oder ob jemand vorhat, sich selbst zu töten. Die Berliner Polizei schaltet ihre Computer später an: Hier durchforstet man das Internet erst, wenn es Hinweise auf ein geplantes Verbrechen gibt – so wie im Oktober, als ein 18jähriger Schüler aus Ärger über seine Lehrer einen Mordanschlag auf Lehrer und Mitschüler der Martin-Buber-Oberschule in Spandau ankündigte. Der Schüler wurde schnell gefasst. Bei der Polizei behauptete er, die Drohung nicht ernst gemeint zu haben. Unentdeckt blieb dagegen der angekündigte Selbstmord eines 16-Jährigen aus Baden-Württemberg. Er verabredete im Internet den Freitod mit seiner 21 Jahre alten Bekannten aus Charlottenburg. Anfang November erschoss er auf einem Parkplatz am Teufelsberg erst die Frau, dann sich selbst.

Außer dem Bundeskriminalamt durchkämmen auch Beamte des Bayerischen Landeskriminalamtes permanent das Internet, vor allem aber die Newsgroups und Chat-Rooms, nach Hinweisen auf Straftaten. Gleichgültig, ob jemand einen Anschlag plant, über seinen Freitod spricht oder Kinderpornos anbietet – in allen Fällen wird die Polizei aktiv. Das BKA gebe seine aus den Internet-Recherchen gewonnenen Erkenntnisse jeweils an die zuständigen Länderpolizeien weiter, sagte BKA-Sprecher Dirk-Georg Büchner.

Die Cybercops in München und Meckenheim wollen sich nicht zu tief in die Karten blicken lassen, geben aber zu, dass sie unerkannt in Chat-Rooms lauschen und auch mitdiskutieren. Chat-Rooms sind Diskussionsforen, an denen man sich per Computer und unter einem Pseudonym beteiligt. Sobald sich ein Verdacht ergibt, wendet sich die Polizei an den zuständigen Betreiber des Internetdienstes – das kann zum Beispiel AOL oder auch T-Online sein – und lässt sich Namen und Anschrift des Verdächtigen geben. Die Betreiber sind gesetzlich zur Zusammenarbeit mit den Behörden verpflichtet. .

Vor allem bei der Bekämpfung der Kinderpornografie, die über 80 Prozent aller Delikte ausmacht, geht die Polizei sehr häufig diesen Weg. Da die Anbieter von Kinderpornografie allerdings ihre Internetseiten mit Passwörtern schützen, versuchen sich zumindest die Cybercops in Bayern auch schon mal als Hacker. Manchmal habe man damit sogar Erfolg, sagte Kriminaloberkommissar Wolfgang Kaps.

Nicht jeder, der das Internet für Verbrechen nutzt, ist so unbedarft wie ein 16-Jähriger, auf den die Münchener Fahnder im März dieses Jahres in einem Chat-Room stießen: Er pries seinen neu eingerichteten Server an und nannte sogar die Adresse. Als die Polizei sich dort einloggte, fand sie zahllose Kinderpornos. Demnächst steht der Jugendliche vor dem Richter. weso

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