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„Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ spielte auch in der Berliner Zille-Ausstellung 2008 eine Rolle: Der Maler hatte mitgewirkt und auch das Plakat geschaffen.

© Stache/dpa

Berlin im Film: Das Laster lockt ins Kino

Eine Stummfilm-Reihe führt ins Berlin der wilden Zwanziger. Sie begleitet die Ausstellung "Tanz auf dem Vulkan" des Stadtmuseums.

Rote Fahnen sieht man besser, es sei denn, man dreht einen Film in Schwarzweiß. „Rote Farbe kommt im Film schwarz“, erzählte der Maler Otto Nagel von den Dreharbeiten zu Phil Jutzis „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“, zu dem er das Exposé geschrieben hatte. „Um den Ton des Rot richtig zu erhalten, wäre es gut gewesen, grüne Fahnen zu nehmen. Unsere Demonstranten – echte Weddinger Proleten – lehnten es ab, unter grünen Fahnen zu marschieren. Wir mussten uns schon bequemen, eine andere Lösung zu finden.“

Nagel verrät nicht, worin diese Lösung bestand. Der Zuschauer, der die proletarischen Massen demnächst wieder über die Leinwand marschieren sieht, sollte sich aber klar sein: Der Wille zur Authentizität stieß auch beim proletarischen Kino der zwanziger Jahre auf Grenzen.

„Berlin im Stummfilm“ heißt eine Filmreihe im Kino in der Brotfabrik, die im Rahmen der vom Stadtmuseum gezeigten Ausstellung „Tanz auf dem Vulkan“ stattfindet. Vier Filme werden aufgeführt, die allerdings mehr dem Vulkan als dem Tanz gewidmet sind, den Blick vor allem auf die düsteren Seiten des Jahrzehnts richten, weniger auf sein Funkeln und Glitzern.

Die Reihe beginnt mit „Menschen untereinander“ (1926) von Gerhard Lamprecht – ein Sozialdrama am Beispiel eines Berliner Mietshauses, dessen Bewohner einen Querschnitt der Gesellschaft darstellen: unten Juwelier und Anwalt, oben Ballonverkäufer und arbeitsloser Klavierlehrer, dazwischen Tanzschule und Heiratsvermittlung. „Menschen untereinander“ war, wie weitere Filme Lamprechts, von Heinrich Zilles Milieustudien inspiriert und vom Maler auch unterstützt – man sprach damals sogar von „Zille-Filmen“. Lamprecht konnte aber auch anders: 1931 drehte er „Emil und die Detektive“.

Der Welt des Glamours am nächsten kommt noch „Abwege“ von G. W. Pabst (1928) – die Geschichte einer Ehekrise, der die frustrierte Frau ins Berliner Nachtleben zu entfliehen sucht – ein vergebliches Bemühen, doch nach vollzogener Scheidung findet das Ehepaar überraschend doch wieder zueinander.

Das Laster lockt auch in Joe Mays „Asphalt“ (1929), in dem man neben Gustav Fröhlich als wackeren, doch gegen Versuchungen nur unzulänglich gefeiten Wachtmeister und Betty Amann als verführerischer Juwelendiebin auch einen noch ziemlich dürren Hans Albers als Taschendieb erleben kann. Asphalt – das ist hier geradezu eine Metapher für den Sumpf der modernen Metropole, zugleich aber eine klebrige schwarze Masse, die in der an Walter Ruttmanns „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“ erinnernden Eingangsszene Arbeiter mühsam in Handarbeit zum Straßenbelag feststampfen.

Auch am Ende der Reihe steht mit „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“ ein „Zille-Film“, dessen Lebensfreude verheißender Titel in die Irre führt: Das Glück ist für die Proletarierin Krause der Gashahn, die Erlösung von all ihrem Leiden. Gedreht wurde in Wedding, mit „originalen Zille-Menschen“ als Kleindarsteller und Komparsen, wie Nagel schrieb. Das hatte Tücken: „Bei einer Aufnahme musste viel getrunken werden. Jedesmal, wenn wir drehen wollten, war das Bierglas, das voll sein musste, von dem ,Darsteller’ leergetrunken. Als wir noch lange nicht fertig waren, lag unser Mann schon unter dem Tisch.“ 

„Menschen untereinander“, 2.11.; „Abwege“, 9.11.; „Asphalt“, 16.11.; „Mutter Krausens Fahrt ins Glück“, 23.11., jeweils 18 Uhr. Kino in der Brotfabrik, Caligariplatz 1 in Weißensee, Tel. 471 4001. Die Ausstellung "Tanz auf dem Vulkan - Das Berlin der zwanziger Jahre im Spiegel der Künste" ist noch bis zum 31. Januar im Ephraim-Palais, Poststraße 16 in Mitte, zu sehen (Di, Do–So 10–18 Uhr, Mi 12–20 Uhr)

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