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Berlin: Das Parlament will attraktiver werden

Die Abgeordneten müssen sich künftig kürzer fassen, und im Plenum sollen mehr aktuelle Themen besprochen werden

Von Sabine Beikler

Wer ist das? Er liest Zeitung, unterdrückt ab und zu ein Gähnen und schlendert irgendwann ins Casino. Na? Das ist ein typischer Abgeordneter während einer Plenarsitzung im Abgeordnetenhaus. Auch den Zuhörern können vor Langeweile die Füße einschlafen. Dröge Beiträge, lange Redezeiten oder der beliebte Reflex bei Abgeordneten, viele Nachfragen zu stellen, ohne dadurch zur Klärung eines Sachverhalts entscheidend beizutragen. Nur Hartgesottene harren stundenlang aus, wenn sie interessante Debatten hören wollen: Die stehen oft erst spätabends auf der Tagesordnung. So geht das nicht weiter, sind sich seit Jahren alle Fraktionen einig. Wenn es schon für die Qualität von Redebeiträgen keine Noten gibt, kann man wenigstens die Form straffen. Nach langem interfraktionellen Hickhack kommt nun endlich Bewegung: Am Donnerstag im Parlament werden die Fraktionen Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung einbringen.

Diese große rot-rot-grün-gelb-schwarze Koalition hat sich darauf verständigt, dass jede Fraktion über ihr Schwerpunktthema unmittelbar nach der Aktuellen Stunde reden darf. Und zwar im rotierenden Verfahren, damit nicht jedes Mal die stärkste Fraktion SPD beginnt. Alle anderen Tagesordnungspunkte werden nach hinten verschoben. Eine weitere Änderung betrifft gleich zu Anfang einer Parlamentssitzung die Fragestunde, bei der die Senatoren oder der Regierende Bürgermeister den Abgeordneten Rede und Antwort stehen. Künftig dürfen die Parlamentarier nicht mehr endlos nachfragen, sondern maximal zweimal. Sie müssen sich künftig auch kürzer fassen: Die Redezeit wird in der Aktuellen Stunde von bisher 15 auf zehn Minuten pro Fraktion reduziert.

„Alle sind sich einig, dass unsere Plenarsitzungen nicht attraktiv sind“, sagt Christian Gaebler, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion. Deshalb erhoffen sich Fraktionen durch die „Frequenzerhöhung“, sagt Grünen-Geschäftsführer Reiner Felsberg, „interessantere Sitzungen mit mehr Themen.“

Auf eine Vorverlegung des Sitzungsbeginns um 13 Uhr konnten sich die Fraktionen nicht verständigen: Das macht die SPD nicht mit. Ihr Argument: Das Parlament ist ein Teilzeit-Parlament. Durch den Beginn der Sitzungen am Nachmittag könnten Abgeordnete wenigstens noch vormittags arbeiten. Und eine zeitliche Begrenzung der Sitzungsdauer lehnen alle Fraktionen ab. Immerhin gibt es solche Mammut-Sitzungen wie zum Beispiel am 5. Dezember 1991 nicht mehr. Fünfzehneinhalb Stunden lang wurde debattiert, von 9 Uhr bis nach Mitternacht über Haushalt und „Rundfunkstaatsvertrag im Vereinten Deutschland“. Als der damalige Vize-Parlamentspräsident Reinhard Führer zur Abstimmung aufrief, kam ein Zwischenruf. Es war die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, die um Mitternacht sagte: „Guten Morgen.“

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