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Berlin: Das passt gut

Man sieht die Kleidung vor lauter Mensch nicht: Emotion – das Thema auf den Modemessen

Die Menschen mit Rollkoffern könnten ganz normale Reisende sein, die im U-Bahn-Schacht unterm Potsdamer Platz verschwinden. Aber von hier fährt kein Zug. Im Tunnel treffen sich noch bis Sonntag Modetouristen aus aller Welt. Auf der Modemesse Premium, wo neben Edeljeans von Evisu und Luxus-Sportswear von Puma auch kleinere Designfirmen ihre Kollektionen für den nächsten Herbst und Winter aufgebaut haben, sitzen schon um 10 Uhr die ersten Einzelhändler, um die Ware für den nächsten Herbst zu bestellen. Das Konzept der Premium ist seit der ersten Veranstaltung im Januar 2003 gleich geblieben: Metallkleiderstange, Bügel und Kleidung dran, fertig ist der Messestand.

„Es ist viel voller als beim vorigen Mal“, sagt Premium-Organisatorin Anita Bachelin. Um sie herum lauter entspannte Gesichter, auch wenn die Designer etwas übernächtigt aussehen. Der letzte Knopf wird oft in der Nacht vor den Modemessen angenäht. Auch die Kleidung ist eher lässig: Jeansträger sind in der Mehrzahl, aber die für 200 Euro darf es schon sein. Das Publikum ist international, Italiener in dicken Parkas wie auf einem Survivaltrip, und Japaner, einige davon wehren sich mit einem Mundschutz gegen Berliner Schnupfenwetter.

Was auf der Premium völlig fehlt, findet man bei der neuen Modemesse B-in-Berlin: Männer in Anzügen, Frauen im Kostüm. Kommerzielle Marken, gediegenere Zielgruppen wie Otto Kern, Brax oder Bäumler sollen auf dem Messegelände am Funkturm eine Plattform finden. Am Mittag herrscht zielgruppengemäße Ruhe in den vier Hallen, in denen überwiegend Herrenkollektionen ausgestellt sind. Rein optisch macht die B-in-Berlin am ehesten von allen Messen der weltweit größten Modemesse, der CPD in Düsseldorf, Konkurrenz: aufwändige Standaufbauten, Sitzinseln mit gedämpftem Licht und viel Dekoration. Gerd Oliver Seidensticker, Geschäftsführer des größten Hemdenherstellers Europas: „Wir wollten dahin, wo es lebendig ist. Berlin spricht das Herz an, und Düsseldorf war doch etwas müde.“ Seidensticker ist sich sicher, dass sich die Messe mit einem Schwerpunkt auf Herrenbekleidung auch etablieren wird, wenn die größte Berliner Modemesse Bread & Butter im Sommer mit ihrer Hauptveranstaltung nach Barcelona zieht. Auch bei der Firma Brax erhofft man sich von der B-in-Berlin etwas frischen Wind. Marc Freyberg, zuständig für die Verkaufsförderung: „Wir sind trendiger geworden, und die Modebranche orientiert sich emotional nach Berlin, da wollen wir dabei sein.“

Mit dabei sein wollen um 13 Uhr vor allem hunderte Menschen, die darauf warten, an die Ticketschalter der Bread & Butter vorzurücken. „Selected“ heißt das Motto der mit 650 Ausstellern größten Modeveranstaltung dieses Wochenendes. Und das ist wörtlich gemeint: Hineinkommt nur, wer eine Einladung hat. Die Türkontrollen sind strenger als vorm angesagtesten Nachtclub. Aber trotzdem ist es nicht nur vor den Spandauer Fabrikhallen brechend voll, sondern auch auf und zwischen den Ständen. Bei G-Star sieht man vor lauter Mensch die Kleidung nicht.

Alt möchte hier niemand sein, deshalb sind locker sitzende Jeans und Turnschuhe oberstes Gebot. Ab 30 ist bei Männern das Tragen eines Jacketts erlaubt – aber das Hemd sollte dann über der Hose hängen. Überhaupt mutet das Treiben mehr wie ein großes Klassentreffen an als ein Geschäftstermin. Passend dazu werden bei Nike Schuhe gezeigt, die so mancher vor 20 Jahren beim Schulsport getragen hat. Da kann man die ausgelassene Atmosphäre plötzlich sehr gut verstehen.

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