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Berlin: Das Selbstverständliche feiern - Der ehemalige Stadtkommandant singt in der Philharmonie

Den Tag, an dem er das deutsche Wort "selbstverständlich" lernte, hat Patrick Brooking nie vergessen. Der Lehrer schrieb das Vier-Silben-Wort an die Tafel, und die Jungs sind den ganzen Tag herum gelaufen und haben es immer wieder gesagt: "Selbst-ver-ständ-lich.

Den Tag, an dem er das deutsche Wort "selbstverständlich" lernte, hat Patrick Brooking nie vergessen. Der Lehrer schrieb das Vier-Silben-Wort an die Tafel, und die Jungs sind den ganzen Tag herum gelaufen und haben es immer wieder gesagt: "Selbst-ver-ständ-lich."

Ein guter Lehrer kann das ganze Leben beeinflussen. Wenn Patrick Brooking nicht Herrn Gerstenberg begegnet wäre, dann wäre er vielleicht nie nach Deutschland gekommen, wäre nie Stadtkommandant und damit einer der drei mächtigsten Männer von West-Berlin geworden, hätte nie im Philharmonischen Chor gesungen, hätte Hunderte Freunde nicht gefunden, die sein Leben bereichert haben.

Herr Gerstenberg also, ein Lehrer aus Süddeutschland, unterrichtete in Charterhouse. "Er schaffte es, dass wir unbedingt Deutsch lernen wollten", erinnert sich Patrick Brooking. Das gelang ihm mit interessantem Unterricht, aber manchmal auch mit einfachen Tricks. Sonnabends lud er seine ewig hungrigen Schüler zu selbstgebackenem deutschen Kuchen ein. Den gab es aber erst, wenn sie eine Weile Deutsch gesprochen hatten.

Seitdem will er verstehen, wie die Deutschen ticken, will dazu beitragen, dass Deutsche und Engländer noch mehr miteinander zu tun haben. Zwei Dinge halfen ihm in der Vergangenheit dabei: seine Karriere als Berufssoldat, die ihn in verschiedene deutsche Städte führte und seine Liebe zur Musik. Brooking, den Yehudi Menuhin gern mit "Mein lieber Chorknabe" anredete, hat während seiner Berliner Jahre im Philharmonischen Chor gesungen; daheim in England singt er in der "Salisbury Musical Society". Dass beide Chöre zusammen an diesem Wochenende in der Philharmonie unter der Schirmherrschaft des Prince of Wales Verdis Requiem singen, geht auf seine Initiative zurück. Und auch das hat etwas mit dem Wort "selbstverständlich" zu tun. Vor hundert Jahren sahen die auch damals schon vielfältig verflochtenen Briten und Deutschen mit Unruhe ins neue Jahrhundert, die sich später als berechtigt erweisen sollte. Inzwischen sind beide Länder enger verbunden als je zuvor. Die Freude über die Selbstverständlichkeit des fortschreitenden Verständnisses ist der Anlass für "The British-German Celebration Concerts". Warum aber dann ein Requiem singen? "Ganz einfach", sagt Brooking. "Es sollte ein Werk sein, das die Menschen bewegt, und es sollte in einer dritten Sprache sein, Latein, damit es keine Akzentverschiebungen gibt."

Die Celebration Concerts, die unterstützt werden unter anderem von Richard von Weizsäcker und Edward Heath, sollen auch noch in London und Salisbury aufgeführt werden. Das geschieht im Sommer. Dann wartet auf den ehemaligen britischen General, der in der wiedervereinigten Stadt später eine inzwischen beendete zweite Karriere als Manager bei der Krone AG startete, noch eine neue Herausforderung. Er übernimmt den Vorsitz der British-German Association, die es sich zum Ziel gesetzt hat, besonders über Jugendprogramme den Austausch zwischen beiden Ländern zu fördern. Eines seiner wichtigsten Ziele: englische Jugendliche dazu zu bewegen, deutsch zu lernen. Nur, wenn man die Sprache versteht, kann man Land und Leute wirklich kennenlernen und überraschende Erkenntnisse gewinnen. Patrick Brooking kam einst mit der Meinung, die Deutschen hätten keinen Humor. "Das war völliger Quatsch", sagt er heute. So trägt er gewissermaßen das Vermächtnis seines Lehrers in die Zukunft. Selbstverständlich ist die Neugier auf Sprachen nicht. Wie gut, dass Patrick Brooking ein Mensch ist, der sich nicht nur selbst begeistern kann, sondern es auch vermag, Begeisterung zu wecken.

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