zum Hauptinhalt
Cansel Kiziltepe (SPD), Berliner Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, sitzt während eines Interviews in ihrem Büro.

© dpa/Sebastian Gollnow

„Das sind leider keine Einzelfälle“: Berliner Senat will ausgebeutete Arbeiter sicher unterbringen

In Berlin werden Menschen etwa in der Baubranche oder beim Lkw-Transport ausgebeutet. Ihren Arbeitgebern sind sie ausgeliefert. Der Senat will diese Verhältnisse nun besser bekämpfen.

Der Berliner Senat plant in diesem Jahr die Einrichtung einer Beratungs- und Unterbringungsstelle für Menschen, die von Arbeitsausbeutung betroffen sind. Das kündigte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) am Donnerstag im Sozialausschuss des Abgeordnetenhauses an. „Die Betroffenen von Arbeitsausbeutung sollen, sofern erforderlich, sicher untergebracht werden und Betreuung aus einer Hand erhalten“, sagte die Senatorin vor den Abgeordneten.

Derzeit laufe das Ausschreibe- und Vergabeverfahren. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass wir das im zweiten Quartal dieses Jahres realisieren werden“, sagte sie. Arbeitsausbeutung und Schwarzarbeit seien „erhebliche Straftaten“ und verletzten die Arbeits- und Menschenrechte der Betroffenen.

Arbeitskräfte seien etwa in schimmeligen Unterkünften untergebracht oder erhielten ihre Löhne nicht. „Das sind leider auch keine Einzelfälle“, sagte Kiziltepe. „Auch nicht hier in Berlin.“ Gerade Menschen, die aus einem anderen Rechts- und Kulturkreis kämen, liefen in besonderer Weise Gefahr, weil sie die Regelungen und ihre Rechte hier in Deutschland oft nicht kannten und deshalb ausgenutzt würden.

Einige europäische Länder sind schon etwas weiter als wir.

Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD)

Kiziltepe kündigte auch an, dass ihre Verwaltung eine Europa-Konferenz zum Thema Arbeitsausbeutung am 8. November 2024 plane. „Einige europäische Länder sind schon etwas weiter als wir“, sagte Kiziltepe mit Blick auf die Bekämpfung der Arbeitsausbeutung.

Oft steckt hinter der Ausbeutung hohe kriminelle Energie

Bei einer Anhörung zum Thema berichteten am Donnerstag im Sozialausschuss Experten zur Situation in Berlin. Benjamin Luig, der beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) für faire Mobilität in der Landwirtschaft zuständig ist und Betroffene von Ausbeutung berät, nannte Bereiche, in denen häufig Arbeitsausbeutung vorkommt, etwa das Baugewerbe, der internationale Straßenverkehr oder – in Brandenburg – die Landwirtschaft. Seine Anlaufstelle berate zudem auch Grenzpendler aus Polen, die bei Tesla in Grünheide arbeiteten.

In den verschiedenen Bereichen komme es zu unterschiedlichen Verstößen, sagte Luig. So würden etwa teils vertraglich vereinbarte Löhne nicht gezahlt, der Mindestlohn nicht eingehalten, oder es gebe keine Lohnfortzahlung im Krankenfall oder keine Unfallversicherung. Häufig seien im Bau qualifizierte Arbeitnehmer tätig, die aber wie ungelernte Helfer beschäftigt würden. Die Beschäftigten gerade auf Großbaustellen kämen häufig aus Rumänien oder Südeuropa.

Philipp Schwertmann vom Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit machte darauf aufmerksam, dass die Wohnungsnot in Berlin die Arbeitsausbeutung begünstigt. „Der Wohnungsmarkt ist gerade hier in Berlin durch die gestiegenen Preise und die Knappheit der Wohnungen sehr entscheidend geworden, auch im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit“, sagte er.

Das beträfe etwa Leute, die von heute auf morgen aus ihren prekären Unterkünften herausmüssten. Gleichzeitig würden viele Menschen gerade im Winter Arbeiten zu unwürdigen Bedingungen nachgehen, weil sie im Gegenzug eine Unterkunft bekämen. „Es gibt eine hohe kriminelle Energie, die oft hinter dieser Ausbeutung steckt“. Der Tatbestand der Zwangsarbeit dürfe kein Tatbestand sein, mit dem Leute „einfach so davonkommen“.

Der Experte Luig forderte mehr und bessere Kontrollen: „Es sind definitiv deutlich mehr Kontrollen notwendig, und auch andere“. Es sei wichtig, dass bei den Kontrollen Dolmetscher dabei seien, um mit den Arbeitnehmern, die oft nicht Deutsch sprächen, in den Austausch kommen zu können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false