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Abitur in Berlin: Das verpatzte Abi - und die Erklärung Jahre danach

Der Diercke-Atlas war ein guter Freund - wäre da nicht das Rot-Grün-Problem gewesen. Jetzt hat der Verlag überraschend zurückgeschrieben.


Im Juni ist's vorbei, dann sind alle Abi-Prüfungen geschafft. Und auch wir beim Tagesspiegel haben uns jüngst an unsere Abiturprüfungen erinnert. In einem Fall ging es um eine verhagelte Prüfung im Fach Erdkunde, bei dem die Rot-Grün-Schwäche des Autors eine nicht ganz unwichtige Rolle spielte - und die nun nach vielen, vielen Jahren überraschend Thema wurde in Braunschweig, wo die Westermann-Verlagsgruppe sitzt. Sie kümmert sich um den guten, alten "Diercke"-Atlas - und hat nun einen Brief zurückgeschrieben, aber der Reihe nach.

Der Bericht über die Abi-Klausur

Diercke und ich waren dicke Freunde. Diercke erzählte mir Geschichten von fernen Stränden, zeigte klare Linien auf und quatschte nie dazwischen. Diercke – so hieß mein Schulatlas. Leider gab’s nach 13 Jahren Schulen eine böse Erkenntnis: Diercke hatte noch ganz andere, mir unbekannte Seiten.

„Herr Görke, wir müssen reden“, sagte mein Lehrer nach der Abiturprüfung an einem Gymnasium in Westend. Ich war in Erdkunde eigentlich ganz gut, das sollte mein Abi nach oben katapultieren, aber so sah das Gesicht meines Lehrers an diesem Tag leider nicht aus. „Was, bitte, haben Sie denn da aufgeschrieben?“ Die Klausur war eine Katastrophe, mit viel Verstand – aber ohne Sinn. Ich hatte die grauen Landkarten völlig falsch ausgewertet – die waren nämlich rot und grün, in vielen bunten Farbtönen, und ich sah die Unterschiede nicht. Ist mir vorher nicht groß aufgefallen, ich erkenne Ampelphasen und hatte auf dem Fußballplatz auch nie Probleme. Mein Pech. Das Abitur war verhagelt.

Immerhin: Als mich die Bundeswehr kurz danach durchcheckte, wusste ich Bescheid. „Ich habe eine Rot-Grün-Schwäche“, sagte ich der strengen Frau von der Armee. Die machte prompt ein paar Kreuze. Kampfpilot durfte ich nicht werden, Fallschirmjäger auch nicht, aber „Minentaucher“. Ich bastelte dann als Zivi mit Harald Juhnke Körbe, aber das ist eine andere Geschichte. Farben spielten da keine Rolle.

Die smarte Antwort des Westermann-Verlages

Dieser kleine Text erschien auf unserer Schulseite im Tagesspiegel - und es dauert nicht lange, bis plötzlich eine Mail aus Braunschweig eintraf, mit der ich nie gerechnet hätte. "Es hat uns gefreut, zu lesen, dass der Diercke Ihr Freund war und natürlich tut es uns leid, dass er Ihnen dennoch im Abitur kein Glück gebracht hat", schreibt Frau Dr. Regine Meyer-Arlt vom Westermann-Verlag also Jahrzehnte nach meiner Abiturprüfung. "Tatsächlich haben 10 bis 15 Prozent aller Schülerinnen und Schüler die Rot-Grün-Schwäche in differenzierter Ausprägung. Es ist zu wünschen, dass Lehrkräfte ihre Klasse diesbezüglich checken und darauf weisen wir auch immer wieder hin. Wir versuchen aber auch, diese Sehschwäche bei der Herstellung unserer Atlaskarten so gut wie möglich zu berücksichtigen: Zwei Kollegen aus unserer technischen Grafik sind selbst von der Rot-Grün-Schwäche betroffen und können deshalb bei der Kartenkonzeption eine in diesem Kontext möglichst unproblematische Farbauswahl treffen."

Frage an meinen Erdkundelehrer: Kann die Antwort vielleicht doch noch in die Klausur einfließen, lieber Herr M.?

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