zum Hauptinhalt

DDR-Geschichte: Büro von Stasi-Chef Mielke vom Staub befreit

Die frühere Stasi-Zentrale in Lichtenberg wurde für elf Millionen Euro renoviert. Am Samstag lädt die Gedenkstätte zum Bürgertag.

Lenin ist weg. Die Totenmaske des revolutionären Sowjetmenschen hatte jahrelang Erich Mielkes breiten braunen Schreibtisch in seinem eh schon äußerst spartanisch und ziemlich geschmacklos eingerichteten Büro im ersten Stock von Haus 1 des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR verziert – nun ist Lenins Kopf wie weggeblasen. Als ob jemand gerade mit dem Staubtuch die Schreibtischplatte blank geputzt hätte. Keine Akten, außer zwei schwarzen Telefonen ist nichts geblieben. Auch die Wandschranktüren hinter dem mit blauem Stoff bezogenen Sessel des Stasi-Chefs sind geschlossen, so dass man den einst dort deponierten Safe mitsamt seinem brisanten Inhalt nur noch erahnen kann. Vielleicht wollten die Restauratoren mit dieser Kargheit den Eindruck sichtbar machen, dass Mielkes Büro für immer und ewig geschlossen ist. Ansonsten bekommt der Besucher in der Minister-Etage nicht viel Aufregendes zu sehen: Eine Zimmerflucht, die auf der einen Seite in einem Besprechungsraum und auf der anderen im blau gekachelten Badezimmer samt Minister-Klo neben einer breiten Schlafcouch endet. Von dieser spießigen Ödnis aus wurde das Stasi-Imperium dirigiert und das DDR-Volk drangsaliert, bis vor 22 Jahren mutige Wutbürger Schild und Schwert der allmächtigen Partei zerbrachen und den riesigen Stasi-Komplex an der Lichtenberger Normannenstraße ins Volkseigentum überführten.

Das 1961 erbaute Haus 1 war über ein Jahr lang geschlossen, weil es dringend renoviert werden musste. Gestern wurde die Sanierung des Baudenkmals beendet, und der Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Staatsminister Bernd Neumann, lobte das vorbildliche Gelingen, einen authentischen Platz als Gedenkstätte herzurichten. „Hier wird am Ort der Täter an jene Opfer erinnert, die die Stasi bespitzelt, inhaftiert und zersetzt hat. Ihr Leid ist nicht vergessen“, sagte Neumann an diesem „wichtigen Tag für die Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Das Haus 1 inmitten des riesigen Stasi-Komplexes wird nun gemeinsam vom Bürgerverein „Antistalinistische Aktion“ (Astag) und von der Stasi-Unterlagenbehörde betrieben, im Parterre steht ein „Barkas“-Lieferwagen, mit dem Gefangene transportiert wurden, in einigen Räumen wird eine Ausstellung zu sehen sein, in der die Rolle der SED als eigentliche Ideengeberin der Stasi dargestellt ist: Noch im Mai 1989 hatte die Partei, die die Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Politik der DDR bestimmte, 2,3 Millionen Mitglieder.

Das komplette Büro von Erich Mielke steht den Besuchern offen. Hier der private Bereich mit Sitzgelegenheit und Fernseher.
Das komplette Büro von Erich Mielke steht den Besuchern offen. Hier der private Bereich mit Sitzgelegenheit und Fernseher.

© dapd

An der Wand hängen die 1958 formulierten „Zehn Gebote der sozialistischen Moral“. Punkt 1: „Du sollst dein Vaterland lieben und stets bereit sein, Deine ganze Kraft und Fähigkeit für die Verteidigung der Arbeiter-und-Bauern-Macht einzusetzen“. Im Allerheiligsten der Institution, die Angst und Schrecken verbreitet hatte, könnte nun ein Campus der Demokratie entstehen, sagte Roland Jahn als Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, die in mehreren Häusern dieser Sicherheitsstadt in der Stadt arbeitet und für kommenden Sonnabend ab 11 Uhr zu einem Bürgertag in der Stasi-Zentrale einlädt (siehe Kasten unten). Elf Millionen Euro aus dem Konjunkturprogramm II standen für die Restaurierung zur Verfügung, Staatssekretär Rainer Bomba meint, dies sei „exzellent angelegtes Geld“: Die technische Gebäudeausstattung ist nun hochmodern, zwei zusätzliche Treppenhäuser wurden eingebaut, die Lichttechnik erneuert, das Haus energetisch saniert.

Am offenen Fenster. Auch der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, wird beim Bürgertag dabei sein.
Am offenen Fenster. Auch der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde, Roland Jahn, wird beim Bürgertag dabei sein.

© dpa

Und wo ist nun die Totenmaske Lenins von Mielkes Schreibtisch? Im Depot. Sie wird als „diebstahlgefährdet“ eingestuft.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false