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Berlin: Deckadressen in Bullerbü

Eine Mutter erzählt vom vergeblichen Kampf um ihre Traumschule

Eichkamp kommt meiner Vorstellung von einem deutschen Bullerbü ziemlich nah. Im Sommer flitzen die Kinder durch Löcher in den Zäunen zu ihren Freunden, Katzen und Hunde können höflich mit Namen angesprochen werden, man hört die Würfel über den Gartentisch des Nachbarn rollen – und sieht dabei den Funkturm, der an die Großstadt erinnert, die uns glücklicherweise umgibt.

Wie in Bullerbü, so die Idee, wachsen unsere drei Töchter hier mit einer großen Horde von Altersgenossen auf. Im Maikäferpfad liegt der Kindergarten, in der Waldschulallee die Grundschule und später auch das Gymnasium, beide mit exzellentem Ruf. Dieser Ruf hat nun dazu geführt, dass Leute, die nicht aus dem Einzugsgebiet der Schule stammen, durch die Siedlung streifen und versuchen, sich bei echten Eichkampern anzumelden, gelegentlich gegen Geld. „Es kommt vor“, berichtet Andreas Wolter, Leiter der Wald-Grundschule, „dass wir auf eine Adresse vier Anmeldungen haben.“

Und so kam es, dass meine älteste Tochter Emily, die ein so genanntes „Antragskind“ ist – ein Kind also, dass von der Schulpsychologin für ausreichend reif befunden wurde, im Sommer in die erste Klasse eingeschult zu werden, obwohl sie erst fünf Jahre alt ist – nun keinen Platz an der Wald-Grundschule bekommt. Es mussten zu viele Kinder aus den Vorklassen übernommen werden, und die Hierarchie ist: schulpflichtig – Vorklasse absolviert – Antragskind. Dass Emily nun ein Jahr verlieren wird, ist vielleicht keine Katastrophe – aber einzusehen ist es auch nicht. Das Schulamt gibt schneidend auf Anfrage zurück, sie könne ja durchaus zur Reinhold-Otto-Grundschule gehen. Die ist aber für Emily nicht zu Fuß zu erreichen, außerdem hat sie zwei Schwestern, die später auf die Wald-Grundschule gehen sollen, und sie wohnt hier – was soll das? Die Sekretärin der Wald-Grundschule berichtet von einer Mutter aus Eichkamp, die selbst ein Antragskind hat, und einer Mutter mit schulpflichtigem Kind erlaubte, sich bei ihr anzumelden. Das schulpflichtige Kind von außerhalb wurde genommen, das Antragskind nicht.

Je besser der Ruf der Schule, desto größer der Andrang, logisch. Der zuständige Bildungsstadtrat Reinhard Naumann (SPD) kennt das Problem, weiß aber keinen Rat. „Wir können da nichts machen“, sagt er, „es gibt eine eindeutige Rechtslage: Wer eine gültige Anmeldung vorweisen kann, hat Anrecht auf einen Platz.“ Nur wenn Schummeleien eindeutig nachgewiesen werden könnten, habe man eine Handhabe. „Handelnder Akteur ist die Schule“. Die Schule zu Detektivarbeiten heranziehen? Nun, Schulleiter Wolter steht dem nicht gänzlich ablehnend gegenüber: „Mich ärgert der Zustand so, dass ich bereit wäre, mit Kollegen vom Schulamt die Klingelschilder zu überprüfen“. Diese Unterstützung wird wohl ausbleiben: Im Amt beruft man sich auf die Rechtslage und zuckt die Achseln. Unser Widerspruch wurde schwarz auf weiß zurückgewiesen: Emily wird ein Jahr verlieren.

Mariam Lau

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