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Berlin: Dem Berliner Thomas Hamann gelang ein sensationelle Aufnahme

"Ich habe eine Sternschnuppe auf dem Foto!" Doch es handelte sich dabei wohl um einen viel selteneren GlücksfallThomas de Padova Als Hobbyastronomen ihre Teleskope und Kameras für die Mondfinsternis am Freitag, dem 21.

"Ich habe eine Sternschnuppe auf dem Foto!" Doch es handelte sich dabei wohl um einen viel selteneren GlücksfallThomas de Padova

Als Hobbyastronomen ihre Teleskope und Kameras für die Mondfinsternis am Freitag, dem 21. Januar, präparierten, bereitete sich auch der Berliner Thomas Hamann auf das spektakuläre Ereignis vor. Am Dienstag zuvor baute er sein Fernrohr auf der Terrasse seiner Wohnung in Tegel auf, ein wenig abseits der großstädtischen Dunstglocke. "Es war eine ganz klare und ruhige Luft", erinnert sich der 44-jährige. Der Mond lachte ihn mit fast vollem Gesicht an.

Hamann wollte einen neuen Film und ein Vergrößerungsglas testen, das er sich erst kurz zuvor gekauft hatte. "Zunächst habe ich ein paar Aufnahmen vom ganzen Mond gemacht." Dann fokussierte er die Kamera auf den Südpol des Mondes, in jenen Randbereich, in dem die scharfe Grenze zwischen Licht und Schatten, zwischen Tag- und Nachtseite des Mondes verlief. An diesem Übergang zeichnen sich die Berge und Täler, die vielen Einschlagkrater auf dem Mond so stark ab, dass auch ein Hobbyastronom darauf hoffen darf, ein kosmisches Landschaftsfoto einzufangen.

Viele Bilder mit dem neuen Okular misslangen Hamann an diesem Abend. Und auch auf den geglückten Fotos war die Mondoberfläche bei 166-facher Vergrößerung nicht ganz scharf, wie sich später herausstellen sollte.

Dann aber rückte der Zeiger der Uhr auf 19 Uhr 03 vor, und Luna zwinkerte dem nichts ahnenden Berliner aus der Ferne zu. Ein Blitz und dann die Nacht. Er traf zunächst den Kodak-Film. Kurz darauf schaute auch Hamann durch ein kleines Fernrohr zum Mond hinauf und sah noch einen kleinen Leuchtstreifen über dem Horizont des Mondes verschwinden.

Ein Sechser im Lotto

Thomas Hamann lief begeistert zu seiner Frau Kerstin in die Wohnung: "Ich habe eine Sternschnuppe auf dem Foto!" Doch es handelte sich wohl um einen viel selteneren Glücksfall: Hamann hatte den Einschlag eines Meteoriten auf dem Mond fotografiert. Und es ist die vermeintlich erste Aufnahme dieser Art, wie Experten der Wilhelm-Förster-Sternwarte und des Instituts für Weltraumsensorik und Planetenerkundung in Berlin urteilten, als sie das Bild später zu Gesicht bekamen. "Das ist wie ein Sechser im Lotto", sagt Rolf Preuschmann aus dem Vorstand der Berliner Sternwarte.

Doch wie das mitunter so ist: Der Lottozettel liegt erst einmal eine ganze Weile herum, ehe der Gewinner sein astronomisches Glück gewahrt. "Ich habe mir das Bild eine Woche lang immer wieder fragend angeschaut, bis ich mich dann am vergangenen Freitag dazu entschlossen habe, damit zur Sternwarte zu gehen", sagt Hamann. "Da erst wurde mir bewusst, dass es sich wohl um eine Besonderheit handelte."

Hamanns Schnappschuss dürfte in den kommenden Tagen um die ganze Welt laufen. Und überall, wo man bislang versuchte, Meteoriteneinschläge auf dem Mond zu fotografieren, wird man der Aufnahme zunächst mit sehr viel Skepsis gegenübertreten: Sollte nur Thomas Hamann die helle Staubfontäne beobachtet haben, die das himmlische Geschoss auf der Mondoberfläche aufwirbelte?

Eine vernarbte Einöde

"Man weiß längst, dass es auf dem Mond viele deratige Einschläge gegeben hat", sagt der Berliner Wissenschaftler Jürgen Oberst. Und jeder Hobbyastronom, der das Teleskop auf die vernarbten Einöden des Mondes richtet, kann sich ein Bild von den Hinterlassenschaften solcher Einschläge machen: tiefe Krater mit einer Ausdehnung von bis zu 300 Kilometern und dunkle "Meere", die sich vermutlich nach Meteoritentreffern mit Lava anfüllten, die aus dem Mondinnern auströmte.

"Während der Apollo-Mission gab es ein Netz von Seismographen auf dem Mond", sagt Oberst. "Damit konnte man die Beben registrieren, die Einschläge von Meteoriten auf der Mondoberfläche erzeugten." Bis 1977 seien innerhalb von fünf Jahren rund 1500 Meteoriteneinschläge aufgezeichnet worden. Doch habe es sich dabei wohl meist um recht kleine Gesteinsbrocken gehandelt, die etwa bei einem Eintritt in unserer Erdatmosphäre sofort verglüht wären.

"Niemand aber hat die Einschläge auf dem Mond wirklich gesehen", sagt der Forscher des Instituts für Weltraumsensorik und Planetenerkundung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof. Lediglich als Erde und Mond den Meteoritenschauer der "Leoniden" passierten, hätten Astronomen ein paar Lichtblitze auf der Mondoberfläche mit ihren sensiblen Detektoren festhalten können. "Aber Aufnahmen wie diese jetzt habe ich noch nie gesehen."

Um ein allzu kleines Meteoritengeschoss dürfte es sich bei Hamanns Schnappschuss nicht handeln. "So hell, wie die Leuchterscheinung gewesen ist, muss das Objekt schon ein paar hundert Meter groß gewesen sein", meint Rolf Preuschmann. Doch ob es sich wirklich um eine solche "Bombe" handelte, lässt sich nur schwer abschätzen, solange es keine weiteren Bilder gibt und man den Einschlagskrater nicht beobachtet hat. Der aber liegt möglicherweise genau überm Horizont oder auf der ständig uns abgewandten Seite des Mondes und könnte folglich erst bei der nächsten Satelliten-Mission zum Mond fotografiert werden. Ein beispielsweise 200 Meter großer Meteorit könnte den nächtlichen Blitz, den Hamann fotografiert hat, zweifelos erklären.

Selbst die Erde wäre gegen einen solchen Gesteinsbrocken nicht geschützt, betont der Meteoriten-Experte Christian Gritzner, der seine Doktorarbeit der Abwehr auf die Erde zurasender Asteroiden gewidmet hat. "Auf der Erde würde ein solcher Einschlag einen schätzungsweise vier Kilometer großen Krater aufreißen und im Umkreis von 50 Kilometern alles verwüsten." Träfe der apokalyptische Reiter Berlin, wäre nicht nur die Stadt, sondern ganz Brandenburg von der direkten Zerstörungsgewalt der Detonation und den nachfolgenden Erdbeben betroffen.

Doch nicht nur auf der Erde geschieht derlei glücklicherweise äußerst selten. Auch den Mond dürften mehr als 100 Meter große Himmelskörper nur im Abstand von Jahrhunderten bis Jahrtausenden treffen. Ludolf Schultz, Planetenforscher am Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, hält es daher für "sehr unwahrscheinlich", dass Hamann eine solche Beobachtung geglückt sein sollte. "Das wäre ein Riesenzufall. Als Wissenschaftler bin ich da erst einmal skeptisch, solange es keine Bestätigung von anderer Seite gibt." Es wäre beispielsweise möglich, dass technische Fehler - etwa in der Kamera selbst - Ursache für den Leuchtfleck seien. Auch für die Gestalt der Staubfontäne, die geradewegs in eine Richtung emporschießt, gibt es bislang keine schlüssige Erklärung.

Jürgen Oberst hofft darauf, dass sich nach der Veröffentlichung der Bilder weitere Hobbyastronomen melden werden, die in jener Nacht zum Mond hinaufgeschaut haben. "Nur dann kann man auf die tatsächliche Leuchtkraft und die Größe des Himmelskörpers schließen."

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