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Berlin: Dem Präsidenten bleibt nur eine Couch

Bis Dezember wird das Schloss Bellevue restauriert. Wohnen wird das Staatsoberhaupt dort nicht mehr.

Der Tagesspiegel hängt immer noch an der Wand des präsidialen Ruheraums: Eine Ausgabe vom 17. Oktober 1958 diente einst als Tapetenunterlage – jetzt, bei den Renovierungsarbeiten im Schloss Bellevue kommt sie wieder ans Tageslicht. Wie hier im Erdgeschoss wird fast auf dem gesamten Areal des Bundespräsidentensitzes gearbeitet. Rund 150 Handwerker hämmern, bohren und schweißen auf der Baustelle am Spreeweg. Der größte Teil des Schlosses ist hinter Gerüsten verschwunden. Nur die ockerfarbene Außenwand lugt in frischem Glanz hinter den Planen hervor.

Eine Komplettsanierung des Schlosses stand lange zur Diskussion; die letzte Teilrenovierung erfolgte 1986/87. Altbundespräsident Roman Herzog bezeichnete den Amtssitz einmal als „Bruchbude“; in seine Amtszeit fallen die Umbaupläne.

„Technisch werden wir auf den neuesten und sichersten Stand kommen“, erklärt Dieter Kalthoff, für die Sanierungsmaßnahmen zuständiger Referatsleiter im Bundespräsidialamt, bei einem Rundgang über die staubige Baustelle. Zu den wichtigsten baulichen Veränderungen zählt Kalthoff eine verbesserte Wärmedämmung, behindertengerechte Zugänge und die Verringerung der Brandgefahr. Unter dem Vorplatz des Gebäudes, dem so genannten Ehrenhof, lagerten bis vor kurzem zwei Tanks mit jeweils 5000 Litern Öl. Nun wird das Gebäude mit Fernwärme betrieben. „Die meisten Veränderungen werden später unsichtbar bleiben“, sagt Kalthoff.

Spürbar sicherer wird dagegen das Kopfsteinpflaster der Zufahrt: Die neue Verfugung soll „das unfallfreie Laufen in Stöckelschuhen“ garantieren. Ein Raum für Pressekonferenzen erhält die wichtigsten technischen Anschlüsse. „Früher mussten bei Fernsehübertragungen Leitungen durch das Küchenfenster am Südflügel gezogen werden“, erzählt Kalthoff.

„Der größte Spagat bei der Modernisierung sind die Auflagen des Denkmalschutzes“, sagt Bau- und Projektmanager Frank Brühmann. Das klassizistische Gebäude mit der dreiflügeligen Grundform wurde 1785 von Philipp Daniel Boumann als Sommersitz für den Königssohn August Ferdinand errichtet. In den 1930er-Jahren diente es als Völkerkundemuseum; anschließend als Gästehaus. Nach schweren Kriegszerstörungen wurde es in alter Form mit verändertem Inneren wieder aufgebaut. Nur ein von Carl Gotthard Langhans eingebauter Saal blieb erhalten.

Auch die Sicherheitseinrichtungen werden komplett erneuert. Einige Scheiben erhalten schusssicheres Glas, die Videoüberwachung wird ausgeweitet. Weitere Sicherheitsmaßnahmen seien „streng geheim“. Der Finanzrahmen werde eingehalten, sagt Kalthoff. „Alle drei Flügel werden 19 Millionen Euro kosten.“

Nach eineinhalb Jahren Bauzeit soll das Schloss Mitte Dezember fertig sein. Zu den ersten Gästen des Bundespräsidenten im neuen Schloss Bellevue gehören die zum Neujahrsempfang 2006 Geladenen. Anders als noch Roman Herzog wird Bundespräsident Horst Köhler nach dem Umbau nicht mehr im Schloss wohnen. Die Präsidentenwohnung wird zum Empfangs- und Speisesaal umgebaut. Ein Schlafzimmer wird es nicht mehr geben. Für den Hausherren bleibt nur eine Couch – im Ruheraum.

Alexander Schäfer

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