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Berlin: Dem Spreepark-Chef wird der Rummel zu viel

Dieses Mal hat Norbert Witte verloren. Gegen seine Frau, seine Familie, aber am meisten gegen den Senat.

Dieses Mal hat Norbert Witte verloren. Gegen seine Frau, seine Familie, aber am meisten gegen den Senat. Der 46-jährige Witte, der vor elf Jahren von Hamburg nach Berlin zog, um den einstigen DDR-Kulturpark im Plänterwald in eine bessere Zukunft zu führen, gibt auf. Unter seiner Leitung wird es keine neue Saison in Berlins einzigem Vergnügungspark geben. "Ich konnte meine Frau nicht überreden, weiter zu machen", sagt er resignierend. Vor zwei Jahren war ihm das noch gelungen. Aber eigentlich sei ihm damals schon die "Geschäftsgrundlage entzogen worden", sagt er: Als das Land Berlin den Plänterwald und damit das gesamte Gelände rund um den Vergnügungspark unter Landschaftsschutz stellte.

Aus heutiger Sicht wäre es besser gewesen, 1999 alles hinzuschmeißen, sagt Norbert Witte. Aber so leicht wollte er es sich nicht machen. Schließlich ist der Vater von fünf Kindern eine Kämpfernatur. Witte hat geglaubt, der Senat würde sich umstimmen lassen. Das hätte hätte aus Wittes Sicht nicht nur die Rücknahme des Landschaftsschutzes bedeutet, sondern auch die Genehmigung der dringend benötigten Parkplätze. Aber seine Bemühungen sind gescheitert. Witte reichte unter anderem Konzepte für eine umweltverträgliche Stellplatz-Gestaltung des Freizeitparks ein.

Er führte Gespräche mit Politikern und fehlte auch auf keiner Bezirksverordnetenversammlung, die den Spreepark auf der Tagesordnung hatte. "Ich bin im Prinzip allen Verantwortlichen in den Hintern gekrochen", sagt er nachdenklich. Enttäuscht sei er vor allem von den Berliner Sozialdemokraten. Denn die von SPD-Senator Peter Strieder geleitete Verwaltung habe ihn hinters Licht geführt. "Im Erbbauvertrag steht nichts von einem Landschaftsschutzgebiet", betont der korpulente Sprecher des Spreeparks immer wieder und wird dabei deutlich lauter.

Als man ihm mündlich "die eine oder andere Ausnahmereglung zusicherte", aber nichts passierte, kehrte Norbert Witte der SPD den Rücken. Warscheinlich hatte er sich aber von dem nahtlosen Wechsel zu den Treptower Christdemokraten mehr versprochen. Denn die CDU setzte sich auf Bezirksebene stets für die von Witte geforderten Rahmenbedingungen ein. Durch seine guten Kontakte zu CDU-Politikern erfuhr er erst vor ein paar Wochen von einem bislang geheim gehaltenen Gutachten. Der Senat gab es vor zwei Jahren in Auftrag und auch der Bezirk war offensichtlich über die Ergebnisse informiert.

Als Norbert Witte die Einschätzung der Experten las, bildete sich ein Kloß in seinem Hals. "Ich war sprachlos und wütend", sagt er. Denn die Gutachter bestätigen das, was der Spreepark seit Jahren fordert, um wirtschaftlich arbeiten zu können: Mehr Parkplätze müssen her. Für Witte steht nun fest, dass der Senat den Freizeitpark am langen Arm verhungern lassen wollte. "Wir haben hier Millionen investiert, das Gelände umgestaltet und Attraktionen geschaffen", sagt er resigniert. Nun sitzt er vor einem Schuldenberg in zweistelliger Millionenhöhe. Nach langen Diskussionen und schlaflosen Nächten entschloss er sich jetzt, den Erbbauvertrag mit dem Land Berlin zu kündigen.

Dass der Senat diese Entscheidung nicht akzeptiert und auch das Gutachten anders interpretiert, interessiert Witte eigentlich nicht mehr. Er könne über das angebliche Fehlmanagement und die "veralteten Fahrgeschäfte", die ihm der Senat vorwirft, nur lächeln. "Es ist ein auswegloser Kreislauf", sagt er. Denn neue Investoren und Besucher seien ausgeblieben, weil im Plänterwald die Bedingungen nicht stimmen. Dem Senat hat er jetzt vorgeschlagen, gemeinsam nach einem neuen Spreepark-Betreiber zu suchen. Mit seiner Familie wird er jedenfalls in Treptow bleiben, allerdings muss er seine Wohnung im Vergnügungspark aufgeben. Und dann will er mit seiner Frau ein paar Imbissbuden, am liebsten "irgendwo in der City" eröffnen.

Gefasst spricht er über seine Zukunftspläne, als würde ihn die Situation kalt lassen. Doch seine tiefen Augenringe und der hektische Griff zur nächsten Zigarette, lassen anderes vermuten. "Ich bin total fertig", gibt er dann auch zu. Schon einmal, es ist zwanzig Jahr her, war Norbert Witte am Ende. Er hatte sich gerade sein erstes eigenes Karussell gekauft und durch das Arbeiten mit einem Kran, einen schwerwiegenden Unfall verursacht. Auf einem Hamburger Rummelplatz kamen damals durch seine Schuld sieben Menschen ums Leben, zwölf wurden schwer verletzt. Witte wurde ein Jahr auf Bewährung verurteilt und hatte riesige Schulden. Auf deutschen Rummelplätzen wurden ihm von da an immer wieder Stellplätze verweigert.

Ob er Anfang der neuziger Jahre tatsächlich nur an einen traditionsreichen Familienstandort - sein Großvater und Vater waren bereits Schausteller in Berlin - zurückkehren wollte, bleibt dahingestellt. Vielleicht dachte er auch an einen Neuanfang dort, wo ihn keiner kennt.

Steffi Bey

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