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Demonstration: Fluglärmgegner zogen durch Berlins Innenstadt

"Bringt ja nichts, immer nur in Schönefeld zu demonstrieren". Tausende Fluglärmgegner haben am Samstag den Protest in die Berliner Innenstadt getragen.

Die Luftballons bei der Demo an diesem trüben Sonnabend sind rot, aber unparteiisch. „Traumblase BER“ steht auf ihnen. Dass unterwegs einige platzen oder auf Nimmerwiedersehen im Novemberdunst verschwinden, gehört zum Programm: Etliche tausend Menschen ziehen durch die City, um für ein striktes Nachtflugverbot in Schönefeld und gegen den Ausbau des Flughafens BER zum Drehkreuz zu demonstrieren. Es sind wohl nicht die bis zu 12 000, wie von den zum „Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg“ zusammengeschlossenen Veranstalterinitiativen erhofft und behauptet. Aber es sind sehr viele – und erkennbar solche, die sonst nicht dauernd protestieren: Familien mit Kindern dominieren den Zug. Sie sind aus dem gesamten Berliner Süden und dem Umland angereist, um ihren Protest ins Regierungsviertel zu tragen. Nur ist das um diese Zeit verwaist.

Ein junger Mann aus Kleinmachnow findet den Ort trotzdem richtig: „Es bringt doch auch nichts, immer nur in Schönefeld die Leute in ihren Gärten zu stören“, sagt er in Anspielung auf frühere Demos. Seine Frau ist enttäuscht über die mäßige Beteiligung; sie habe „immer Stuttgart 21 im Kopf“. Wahrscheinlich „wachen die meisten doch erst auf, wenn ihnen die Flugzeuge über den Kopf dröhnen“. Ihr Mann sagt noch, es gehe ihnen nicht um die Verdammung des Flugverkehrs. Sondern um die Verdummung der Leute, die von immer neuen Flugroutenplanungen überrumpelt würden und deren Gesundheit geopfert werde, damit die Airlines durch kurze Routen „ein paar Euro Flugbenzin sparen“. Ein Redner auf der Bühne vor dem Paul-Löbe-Haus erinnert daran, dass die – wissenschaftlich unstrittigen – Gesundheitsschäden durch nächtlichen Fluglärm von allen Krankenversicherten bezahlt werden müssen.

Eine junge Mutter aus Friedrichshagen nennt die Flughafenplanung „Mobbing der Bevölkerung“. Sie habe schon mehrere Freunde aus ihrer Schulzeit getroffen, die nun mit ihren Kindern hier seien – aus Angst, dass der Berliner Südosten vor die Hunde gehe. Der Regisseur Leander Haußmann, der in Friedrichshagen wohnt, wird deutlicher: „Herr Wowereit, die Haltung ,Das geht mir am Arsch vorbei‘ regt mich auf!“ ruft er ins Mikrofon. Doch der Regierende ist nur als Pappmaske hier: zum Auspfeifen. Überhaupt scheinen die Trillerpfeifen als Ventil für die Wut der Leute auszureichen. Die Polizei ist mit großem Aufgebot angerückt, aber muss nicht eingreifen.

Als Neuigkeit wird den Demonstranten verkündet, dass die anderen Anti- Schönefeld-Initiativen eine Klage des Vereins BVBB vor dem Bundesverfassungsgericht unterstützen wollen. Sie zielt auf das Grundrecht auf Gesundheitsschutz. Laut BVBB-Chefin Astrid Bothe sind bisher 23 000 Euro beisammen – ein Drittel der benötigten Summe.

Das geforderte Nachtflugverbot von 22 Uhr bis 6 Uhr wäre nur möglich, wenn Berlin und Brandenburg ihr Landesentwicklungsprogramm ändern und dort die erlaubten Flugzeiten festschreiben. Solche Restriktionen lehnen beide Regierungen ab, zumal das Bundesverwaltungsgericht im Oktober die vorgesehenen Nachtflüge zugelassen hat. Um die Haltung der Landesregierungen zu ändern, sind in Berlin und Brandenburg Volksinitiativen gestartet worden. Ziel ist ein Volksentscheid. Die notwendigen Unterschriften für die erste Stufe haben beide Initiativen bereits erreicht. Allerdings ist noch unklar, ob die Vorstöße rechtlich zulässig sind, da sie sich auf eine Änderung eines Staatsvertrags beziehen.

Politisch nicht beeinflussen lässt sich dagegen die Forderung, auf ein Drehkreuz zu verzichten. Die Flugpläne werden von den Fluggesellschaften aufgestellt, die ihre Ziele selbst wählen. Ein strenges Nachtflugverbot würde ein Drehkreuz allerdings erschweren.

Eine dritte Start- und Landebahn, gegen die ebenfalls protestiert wird, ist derzeit nicht geplant. Ihr Bau wäre nur mit einem weiteren aufwändigen Planfeststellungsverfahren möglich, dessen Ausgang völlig offen ist. SPD und CDU haben bei ihren Koalitionsverhandlungen lediglich vereinbart, am Flughafen bei Bedarf weitere Abfertigungsgebäude zu bauen. Zwei weitere Terminals sind bereits genehmigt.

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