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Volksbühne

© David Heerde

Denglisch: Ausgesprochen fremd

Deutsch soll ins Grundgesetz, wird im Bundestag gefordert. Ist unser Kulturgut wirklich gefährdet? Nicht nur beim Rundgang durch das neue Einkaufszentrum Alexa könnte man das meinen.

Das Phänomen tritt mindestens zweimal im Jahr auf. Die deutschen Geschäfte verhüllen ihre Fenster und werben mit einem seltsamen Wort: „Sale“. Ignoranten vermuten dann bisweilen, es handele sich um den rituellen Verkauf italienischen Meersalzes, Realisten wissen: Es ist der Versuch, durch den Gebrauch einer im Deutschen nicht existierenden Vokabel deutschen Kunden möglichst unverständlich mitzuteilen, dass es im Laden etwas billiger gibt.

Sale – das ist nur der plakativste jener Anglizismen, die die Freunde der deutschen Sprache seit vielen Jahren zur Weißglut treiben. In Berlin hat es immer wieder Ansätze gegeben, diesem Phänomen von Staats wegen entgegenzutreten. 2001 beispielsweise wagte sich der CDU-Innensenator Eckart Werthebach aus der Deckung mit dem Versuch, so etwas wie aktive Sprachpolitik zu treiben und ein Gesetz zum Schutz der Landessprache zu entwerfen, wie es in Frankreich schon lange existiert. Gegenwärtig arbeitet die Enquete-Kommission „Kultur für Deutschland“ des Bundestags an diesem Thema – Ergebnisse sollen zum Jahresende veröffentlicht werden. Die Berliner CDU-Abgeordnete Monika Grütters, Mitglied der Kommission, hat sich bereits geäußert: Sie möchte, dass Deutsch als Sprache im Grundgesetz festgeschrieben wird.

Seit Werthebachs an sich folgenlosem Vorstoß hat sich einiges zum Besseren verändert, beispielsweise sind die idiotischsten Werbeslogans („Come in and find out“, „One group, multi utilities“) durch deutsche Aussagen ersetzt worden. Kein gestammelter pseudoenglischer Satz hat jemals auch nur annähernd so viel Durchschlagskraft entfaltet wie der zu hundert Prozent deutsche „Ich bin doch nicht blöd!“ – das wissen sogar die Werber, die indessen immer noch wie gelähmt wirken, wenn sie ohne ihre in langen Jahren angelernten Denglisch-Vokabeln auszukommen suchen. Man kann sich leicht vorstellen, wie sie widerstrebend ein deutsches Wort niederschreiben und es dann voller Ekel anblicken: Wie sieht das denn aus? Auch die Vorkämpferin Grütters liebt es ja, sich mit Gaga-Deutsch wie „Exzellenzcluster“ und „Tenure Option“ zu spreizen, statt so etwas den verantwortlichen Quatschköpfen um die Ohren zu hauen.

Diese Haltung schlägt sich vor allem im deutschen Konferenz- und Messewesen nieder, beispielsweise auf der letzten Funkausstellung, deren Hallenpläne nur noch Rudimente deutscher Sprache enthielten. Und ein kurzer Gang durch den Hauptbahnhof zeigt, wie hartnäckig sich auch größter Unfug hält: Bahnchef Mehdorn, der persönlich stets für klare deutsche Sätze gut ist, hat trotz der Wahl zum „Sprachpanscher des Jahres“ offenbar noch kein Mittel gefunden, seine Leute zur Vernunft zu bringen. Deshalb trägt die Auskunft nach wie vor den in keiner Sprache der Welt üblichen Begriff „Service Point“, das Klo heißt „McClean“, und das Angebot namens „Surf and rail“ übersetzen verwunderte englischsprachige Besucher gern mit „Wellenreiten und fluchen“. Ohne jeden Zweifel fehlt es in Berlin überall immer noch an englischsprachigen Hinweisen für Touristen –etwa im öffentlichen Nahverkehr. Aber die sollten dann in richtigem Englisch verfasst werden und nicht in der selbstgestrickten Fantasiesprache unserer Werbekreativen.

Wie sieht es im Innenleben von „Alexa“ aus? Das Einkaufszentrum am Alexanderplatz ist brandneu, hat also keine Altlasten zu tragen. Alles, was dort steht, ist aktuelle Sprachlage, aber auch die kommt ohne Points (Pointen? Pointer?) nicht aus. Halten wir dem seltsamerweise „Cardpoint“ genannten Geldautomaten zugute, dass sein Name immerhin nicht in Deutschland erfunden wurde. „Alles für unsere internationalen Kunden!“, sagen die Urheber vermutlich, ohne allerdings nur einen Deutschen vorweisen zu können, der im Ausland pleite- gegangen wäre, weil sie dort auf ihre Geldautomaten das deutsche Wort „Geldautomat“ eben nicht schreiben.

Der Begriff „Food Court“ weist den Weg zu den Schnellrestaurants, allerdings nur jenen Gästen, die das Wort auch verstehen. Ähnlich kompliziert ist es im zweistöckigen Bekleidungsladen, der den Kundinnen, die es übersetzen können, den Weg auf Englisch weist: „Female Fashion First Floor“. Im 3.Stock sitzt übrigens das „Centre Management“, das allerdings mit dem Hinweis „3.OG“ die Chance verschenkt, sich international verständlich im „Third Floor“ anzusiedeln. Auch die Eröffnungsrabatte werden „Rabatt“ genannt, vermutlich, weil man in den Läden ahnt, dass die angesagte englische Variante „20 % off!“ von den Kunden als Aufschlag missverstanden würde.

Aber sonst? Hui. „Build-a-Bear“ heißt ein Laden zum Bärenzusammenbasteln, na gut, das mag eine internationale Marke sein. Aber wer versteht ohne Englischkenntnisse die Unterzeile „Where best friends are made“? Der Schreibwarenladen sucht uns „The Emotion of Writing“ zu vermitteln, Lavazza brüht „Italy’s Favourite Coffee“ und jeder Krämer adelt den Krempel, den er sonst noch so verkauft, zu „and more“: Sushi and more, Jeans and more. Schuhe gibt es nicht mehr, sie sind durch „Footwear“ komplett ersetzt worden, aber der Hemdengourmet wird vom Laden seiner Wahl immerhin noch halb und halb angelabert: „Black is beautiful – erleben Sie es selbst!“

Das alles ist dumm, albern, eitel, aber nicht Sprache im engeren Sinn, denn so redet und schreibt privat niemand. Nennen wir es das Grundrauschen der deutschen Konsumwelt. Ob es dennoch an die Substanz der deutschen Sprache geht und damit ein wichtiges Kulturgut gefährdet – das ist die wichtigere Frage. Viel Diskussionsstoff für die Bundestagskommission.

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