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Berlin: Denk mal! AUF DEUTSCH GESAGT

Brigitte Grunert über die Sprache der Politiker

Wenn Politiker reden, dann drücken sie sich manchmal um klare Worte. Wie Politiker sprechen, und was sie wirklich meinen – das lesen Sie hier alle zwei Wochen von Brigitte Grunert.

Da steht er nun, dreieinhalb Meter hoch und frisch aufgeputzt, seit Ende April vor dem Abgeordnetenhaus. Zehn Jahre nach dem Umzug des Parlaments vom Rathaus Schöneberg in das Gebäude des Preußischen Landtages bekam der große preußische Verwaltungsreformer Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein dort seinen neuen Ehrenplatz. Das Bronzedenkmal von 1875 mit der Inschrift „Dem Minister Freiherrn vom Stein das dankbare Vaterland“ wirkt ein bisschen pathetisch. Doch über Geschichtsbewusstsein darf man nicht meckern. Die Steinsche Städtereform von 1808 bescherte Berlin die erste vom Volk gewählte Stadtverordnetenversammlung.

Das Denkmal ist eine kleine Attraktion. Berliner und Touristen beäugen und fotografieren es. Nur müssen sie rätseln, was es damit auf sich hat. Zwar ließ Senator Peter Strieder eine riesengroße Schautafel danebenstellen, aber darauf wurden nur alle mit Adressen und Telefonnummern verewigt, die an der Restaurierung und Aufstellung des Denkmals beteiligt waren – Strieders Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Landesdenkmalamt, das Denkmalschutzamt des Bezirks Mitte, ein Architekt, eine Gartenbauarchitektin, ein Statiker, eine Metallrestaurierungsfirma, eine Steinmetzfirma und auch die „Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Bundesminister für Verkehr, Bau und Wohnungswesen“.

Es ist direkt zum Piepen. Was das Publikum interessiert, war den Formulierungskünstlern nur wenige Zeilen im unverdaulichsten Bürokratenchinesisch wert. Ich las: „Das Denkmal des Freiherren vom Stein wurde 1875 am ehem. Dönhoffplatz gegenüber dem damaligen Abgeordnetenhaus aufgestellt. Nach dem Krieg demontiert, kam es 1981 auf dem Grundstück ,Unter den Linden1’ zur Neuaufstellung und wurde im Zusammmenhang mit dem Wiederaufbau der Kommandantur 2001 demontiert. In den Jahren 2001 bis 2002 erfolgte eine grundlegende Restaurierung und Konservierung.“

Die Scheußlichkeiten beginnen schon beim „Freiherren“, als handele es sich um mehrere. Ach, hätte man sich doch nach dem „Freiherrn“ in der Inschrift gerichtet. Mit dem „damaligen Abgeordnetenhaus“ ist das Preußische Abgeordnetenhaus gemeint. Das ist nicht jedem klar, der vor dem Abgeordnetenhaus von Berlin steht. Und dass ein Denkmal zur Neuaufstellung „kam“, ist ebenfalls von Amts wegen daneben. Seit wann können Denkmäler laufen? Aber amtlich gespreizt werden ja auch immerfort Vorhaben in Vorschlag und Kosten in Ansatz gebracht.

Das Denkmal blieb auf dem Dönhoffplatz an der Leipziger Straße, als das Preußische Abgeordnetenhaus 1899 sein neues Haus bezog (seit 1921 Preußischer Landtag). Unter den Linden 1 zierte es das Außenministerium der späten DDR. Nach dessen Abriss stand es dem Wiederaufbau des einstigen Kommandantenhauses im Wege.

Fein, dass sich Parlamentspräsident Walter Momper des historischen Staatsmannes angenommen hat. Vielleicht inspiriert der Freiherr vom Stein die Politiker sogar bei der Arbeit an der modernen Verwaltungsreform, mit der sich alle so schwer tun. Vor allem aber: Wie wäre es – im Sinne echter Werbung für Geschichtsbewusstsein – mit einem erläuternden Text am Denkmal? Statt der störenden Senatstafel.

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