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Denkmalschutz: Königliche Rampe

Die „International Herald Tribune“ entdeckt die Kant-Garagen und deren mögliches Vorbild – ein Schloss an der Loire.

Eines der populärsten Reiseziele in Frankreich sind die Schlösser der Loire, das prächtigste aber ist Schloss Chambord, im frühen 16. Jahrhundert im Auftrag von König Franz I. errichtet. Jahr für Jahr pilgern auch Reisende aus Berlin zu dem Renaissancebau, bewundern das Gebirge der Dachlandschaft mit seinen Türmen und Türmchen und verharren staunend vor der zentralen doppelläufigen Treppe. Auf die Idee, dass diese damals einzigartige Treppe einen Abkömmling in Berlin haben könnte, dürfte keiner gekommen sein.

Möglich aber wäre es, wie der in Cambridge, Massachusetts, lebende Anthony Herrey meint. Der 81-Jährige ist Sohn von Hermann Zweigenthal, dem Architekten der trotz Denkmalschutz vom Abriss bedrohten Kant-Garagen in der Charlottenburger Kantstraße 126/127. Die „International Herald Tribune“, die in ihrer gestrigen Ausgabe unter der Rubrik „World News“ groß über die Garagen berichtet hat, war bei Recherchen auf den Sohn gestoßen und hatte ihn zu dem Bau befragt.

Besonderes architektonisches Merkmal der 1930 eröffneten Garagen ist eine doppelgängige Wendelrampe, auf der Autos über eine spiralfömige Fahrbahn hinauf- und über eine zweite wieder hinunterfahren, ohne sich je zu begegnen. Nach demselben Prinzip funktionierte schon die Treppe in Chambord, die auf der Website des Schlosses so beschrieben wird: Sie „besteht aus einem offenen zentralen Kern, um den sich doppelläufig zwei Treppenrampen winden, die die Hauptetagen des Gebäudes verbinden. Ein wunderbarer Einfallsreichtum, der an die Skizzen von Leonardo da Vinci erinnert … Auf dieser Treppe kann jeder auf seiner Seite hinaufsteigen, ohne dem anderen jemals zu begegnen oder ihn aus den Augen zu verlieren.“

Diese Paralletät ist vielleicht kein Zufall. Die doppelte Garagenrampe könnte durch einen Besuch des Architekten in Chambord inspiriert worden sein, vermutet Anthony Herrey, der den Namen trägt, den sein jüdischer Vater nach der Flucht aus Nazi-Deutschland angenommen hatte. „Mein Vater war ein großer Liebhaber von Kunst und Architektur, und er war in Chambord. Ich kann nicht genau sagen, dass dies seine Inspirationsquelle war, aber es macht Sinn.“ Die Garage ist das einzige in Deutschland erhaltene Gebäude Zweigenthals. Er sei mehrfach in Berlin gewesen und habe mit dem Besitzer über Möglichkeiten gesprochen, die Garagen profitabel zu machen, sagt der Sohn. Er selbst habe weder die Zeit noch das Geld gehabt, dies zu leisten.

Sein Vater habe im Exil Wohnhäuser auf Long Island entworfen, sei an Projektplanungen in New York City beteiligt gewesen und habe in den fünfziger Jahren eine Karriere als Theaterdesigner begonnen, schildert Herrey. „Aber er blieb nur mäßig erfolgreich, erreichte nie wieder das, das er in Deutschland geleistet habe. Eine Tragödie."

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