zum Hauptinhalt

Berlin: Der Bund soll Berlins Kredite abstottern

Senat will in einer Woche die Haushaltsnotlage erklären. Finanzsenator Sarrazin: Mit Bundeshilfe Zinslast um zwei Milliarden Euro senken

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Berlin erwartet spätestens 2009 Finanzhilfen des Bundes und der Länder in Milliardenhöhe, um damit den öffentlichen Schuldenberg abzubauen. Am 5. November will der Senat in einem Grundsatzbeschluss die extreme Haushaltsnotlage des Landes feststellen und anschließend in Verhandlungen mit der Bundesregierung eintreten, bestätigte Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) dem Tagesspiegel. Das Ziel: jährliche Sanierungszuwendungen für die Hauptstadt über fünf oder zehn Jahre.

„Auf diese Weise sollen unsere Zinsausgaben dauerhaft um zwei Milliarden Euro verringert werden“, erläuterte Sarrazin. Im Gegenzug werde der Senat dem Bund zusichern, die öffentlichen Ausgaben im Rahmen des Möglichen weiter abzubauen. Der Finanzsenator ließ keine Zweifel aufkommen, was das bedeutet. „Wir müssen beim Sparen das Unzumutbare denken.“ Solange die Innere Sicherheit, Schulen, Kitas und Kultur Tabuzonen blieben, sei die Konsolidierung des Landeshaushalts nicht erreichbar.

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) hat den Parteifreunden im Senat schon im März signalisiert, dass er freiwillig kein Geld herausrücken will. Also wird das Land Berlin Anfang 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht klagen und hofft auf ein ähnliches Urteil wie 1992. Damals verpflichteten die Karlsruher Richter den Bund, den finanziell notleidenden Ländern Bremen und Saarland unter die Arme zu greifen. Die Sanierungshilfe für diese beiden Länder läuft Ende 2003 aus. Grundlage für die Klage Berlins ist ein Gutachten des renommierten Juraprofessors Joachim Wieland, Experte für Wirtschafts-, Kommunal- und Finanzrecht. Wieland vertrat bereits 1999 – im Streit um neue Maßstäbe für die Steuerzuteilung und den Finanzausgleich in Deutschland – drei Bundesländer vor dem Verfassungsgericht.

In diesem Gutachten, das sich der Senat am nächsten Dienstag zueigen machen will, kommt der Rechtswissenschaftler zu dem Schluss, dass Berlin unverschuldet in eine extreme Haushaltsnotlage geraten ist. In einem Zusatzbeschluss will der Senat die Ursachen der Berliner Finanzprobleme darlegen, um die Forderungen an den Bund zu begründen. Innensenator Ehrhart Körting rechnet damit, dass drei Jahre bis zu einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vergehen. „Die politische und rechtliche Umsetzung dieser Entscheidung wird mindestens ein weiteres Jahr dauern“, schätzte Sarrazin ein. Mit den Ländern, die sich kräftig sträuben werden, müsse über eine Beteiligung an der Finanzhilfe verhandelt und anschließend ein Gesetzgebungsverfahren eingeleitet werden.

Bis dahin, so Sarrazin, werde die Verschuldung der Hauptstadt auf etwa 60 Milliarden Euro anwachsen. Verkraftbar sei aber auf Dauer nur ein Schuldenstand von maximal 18 Milliarden Euro. Vor allem das Verhältnis zwischen Zinsausgaben und Steuereinnahmen müsse sich mittelfristig dem Bundesdurchschnitt annähern. In den nächsten Tagen, so Sarrazin, werde er gemeinsam mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Bundesfinanzminister Eichel aufsuchen, „um die Dinge darzulegen“. Was der Senat will, ist jedem Kreditnehmer geläufig – einen Schuldenabbau auf Raten. Frühestens ab 2006, spätestens ab 2009.

Unabhängig von milliardenschweren Sanierungszuschüssen sind die Verhandlungen mit dem Bund über den Ausgleich hauptstadtbedingter Lasten zu sehen. Für die Wahrung der Inneren Sicherheit im Parlaments- und Regierungsviertel hat der Finanzsenator einen Mehrbedarf von 84 Millionen Euro errechnet. Gezahlt werden zurzeit 38 Millionen Euro. Die zusätzlichen Forderungen im Kulturbereich wollte Sarrazin nicht nennen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false