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Berlin: Der Edelmann

Vor zehn Jahren fand Erman Tanyildiz, er habe genug Geld. Heute widmet er sich schönen Dingen: seinem Bentley und seiner Stiftung

Der Bentley von ErmanTanyildiz ist fliederfarben, zu lang für die aufgemalte Parklücke und passt auch sonst nicht zur VEB-Atmosphäre des Lichtenberger Industriegebiets. Nebenan in dem dreistöckigen Verwaltungsbunker sitzt Tanyildiz in seinem rosa gestrichenen Büro, blinzelt durch die randlose Cartier-Brille, zündet sich einen milden Zigarillo an und sagt: „Ich bin sowas von leistungsfähig zurzeit, das kann sich kein Mensch vorstellen.“

Gerade ist der 54-Jährige von seiner Finca aus Ibiza nach Berlin gekommen: Weil Stiftungstag ist. Weil er den Bentley in Berlin zur Inspektion bringen muss. Und weil er an seiner Hochschule die Diktatur einführen will, nachdem die Demokratie nicht funktioniert hat. Jedenfalls klingt es so. Ab Oktober haben die 70 Studenten montags bis freitags und die fünf Professoren an vier Tagen in der Woche anwesend zu sein. „So werden die Studenten mehr lernen und die Professoren mehr lehren“, sagt Tanyildiz. Nach einjähriger Kaltstartphase will er seine Hochschule vom Debattierclub zum Unternehmen umbauen. Damit die Studenten nach sechs Semestern nicht nur ihren Bachelor-Abschluss, sondern auch ein Gefühl für Hierarchien haben. Tanyildiz hat im Hochschulrahmengesetz nachgelesen, ob er das alles darf. Er sagt, er darf. Die Uni lebt ja – abgesehen von den künftig zu zahlenden 600 Euro Studiengebühr im Monat – auch von seinem Geld. Wirtschaft sowie Information und Kommunikation werden an der OTA-Hochschule gelehrt. OTA steht für Otremba und Tanyildiz – der Bauunternehmer Dietmar Otremba gab dem ehrgeizigen türkischen Ingenieur in den 70er-Jahren finanzielle Starthilfe. Der in Istanbul geborene Tanyildiz, der in Berlin die Technische Universität als Wirtschaftsingenieur und Maschinenbauer verlassen hatte, gründete die „Gesellschaft für berufliche Bildung OTA“, außerdem eine Schweißtechnik-, eine Kunststoff-, eine Bekleidungsfirma und ein paar andere Unternehmen, mit denen er reich wurde. „Wenn man satt ist und trotzdem immer weiter essen will, ist doch was nicht in Ordnung“, sagte er sich vor etwa zehn Jahren und verwirklichte seine Kindheitsträume: Bentley, Finca, Ruhestand. „Wenn man die Firmen schließt und alle Rechnungen bezahlt sind, hat man ja plötzlich das ganze Geld.“ Mit dem Reichtum gründete er die staatlich anerkannte „Stiftung für berufliche Bildung OTA-Tanyildiz“, die im Wesentlichen von Mieteinnahmen aus einem Neuköllner Gewerbegrundstück gespeist wird. Stiftungszweck ist berufliche Aus- und Weiterbildung: Zurzeit lernen 300 behinderte oder sozial benachteiligte junge Leute unter OTA-Regie einen Beruf. Nebenbei baute Tanyildiz in Sarajevo ein zerbombtes Berufsschulzentrum mit Internat auf und stattete es mit Maschinen aus.

Tanyildiz geht die Metallbauer besuchen. Sein Weg zum Nachbargebäude erinnert an die Hallo-Herr-Kaiser-Werbung: Jeder schüttelt ihm die Hand, Tanyildiz fragt nach dem Befinden, klopft Schultern. Die Lehrlinge stehen an ihren Werkbänken stramm, als der Chef auftaucht. Viele Gehörlose sind dabei, die meisten waren schon auf Ibiza, um mit ihm die Felder zu beackern. Zu einem geht Tanyildiz hin und zeigt ihm, wie man die Feile richtig führt. Die Feilen haben Tanyildiz auf eine Idee für seine Uni gebracht: „Es gab in der Gebärdensprache kein Zeichen für Halbrundfeile.“ Jetzt gibt es eins, und die Studenten der OTA-Uni sollen eine Online-Bibliothek aufbauen, um dieses und andere Zeichen zu verbreiten. Auch darum kümmert sich Tanyildiz. Aber zu Weihnachten will er wieder auf Ibiza bei Frau und Schafen sein.

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