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Berlin: „Der Einsatz ist reibungslos gelaufen“

Polizeivizepräsident Gerd Neubeck über die Arbeit der Beamten und die Gefahr von Menschenmassen

Herr Neubeck, private Sicherheitskräfte haben am Freitagabend den 16-Jährigen festgehalten. Hatten Sie nicht genügend Polizeibeamte vor Ort?

Doch. Es gab genügend Beamte: Die Polizei war während der Eröffnung des Hauptbahnhofs mit 250 Beamten für 500 000 Besucher präsent. Nach den Feiern verletzte der 16-Jährige offenbar wahllos auf dem Weg durchs Regierungsviertel 35 Menschen durch Messerstiche und Schläge. Er ist von privaten Sicherheitskräften zunächst festgehalten worden, weil er einer Frau in den Bauch geboxt hatte. Dann hatte ihn eine Zeuge als Messerstecher erkannt. Daraufhin wurde er von Polizeibeamten festgenommen, die bereits zum Tatort am Kapelle-Ufer gerufen worden waren.

Sind Sie mit dem Polizeieinsatz zufrieden?

Ja, es waren nach der Messerattacke über 100 Polizeibeamte im Einsatz. Diese Beamten wurden über unterschiedliche Wege gerufen: Etliche kamen direkt von der Eröffnungsfeier des Bahnhofs zum Tatort. Einige Funkwagenbesatzungen wurden über die Funkbetriebszentrale, die den Notruf entgegennimmt, dorthin gerufen. Andere Funkwagen wiederum wurden direkt über die Funkleitstelle der Direktion informiert. Die Tat ereignete sich ja nachts, und wir konnten nicht wissen, ob nicht irgendwo noch Opfer herumliegen. Deshalb wurde die Gegend von mehreren Einheiten mehrfach abgesucht. Auch einen Hubschrauber mit Wärmebildkamera haben wir eingesetzt. Außerdem waren bis Samstagmorgen 60 Kriminalbeamte im Einsatz. Tagsüber haben noch einmal 40 Kripobeamte gearbeitet.

Wie koordinieren Sie solche großen Einsätze bei einem Amoklauf?

Das Lagezentrum am Platz der Luftbrücke übernimmt die Führung über die örtlichen Abschnitte. Wenn wir registrieren, dass zum Beispiel die Zahl von Verletzten minütlich ansteigt, haben wir für die Kriminalpolizei eine spezielle Führung etabliert, den Führungsstab Schwerstkriminalität mit Vertretern einzelner Direktionen, Beamten aus dem Landeskriminalamt und anderen Spezialisten wie Sprengstoffexperten, Wasserschutzpolizisten, Tauchern, Präzisionsschützen oder Spezialeinsatzkommandos. An diesem Abend trat dieser Führungsstab zusammen, nachdem das Lagezentrum diese außergewöhnliche Situation erfasst hatte. Der Stab mit mindestens 20 Leuten tritt bei Geiselnahmen, nach Amokläufen oder Katastrophenlagen zusammen und kann nach Bedarf erweitert werden. Er zieht Kripobeamte aus anderen Direktionen zusammen oder ruft Kollegen aus der Freizeit ab. Solche Großeinsätze werden regelmäßig trainiert.

Sind Sie zufrieden mit der Schnelligkeit des Einsatzes am Freitagabend? Immerhin gab es innerhalb von 16 Minuten mindestens 30 Verletzte.

Der Einsatz ist reibungslos gelaufen. Es war aber ein glücklicher Umstand, dass der mutmaßliche Täter von Sicherheitsleuten festgehalten wurde. Es hätte genauso passieren können, dass er in der Menge untertaucht.

Wie wollen Sie solche Taten bei Großveranstaltungen verhindern?

Das kann man nicht verhindern. Wir können aber absehen, wo Menschenmassen und Gefahren zu erwarten sind. Bundesweit gilt das Konzept für die WM: Einzäunungen, Einfriedungen, bestimmte Zugangsstellen für Kontrollen, um auffällige Personen herauszufiltern. Natürlich: Ein kleines Taschenmesser kann so nicht gefunden werden. Was man nicht verhindern kann, dass außerhalb dieser Zonen wie der WM-Fanmeile etwas passiert. Jeder muss wissen, dass es in Menschenmassen gefährlich sein kann.

Sollte man nach der Tat am Freitag Großveranstaltungen meiden?

Das war ein Ausnahmefall. Die meisten Menschen verhalten sich friedlich. Deshalb sollte man keine Panik schüren.

Das Gespräch führte Sabine Beikler

Gerd Neubeck (55) ist Vizepräsident der Berliner Polizei. Vor sechs Jahren kam er aus Nürnberg nach Berlin. Damals war er im Gespräch als Nachfolger von Polizeipräsident Hagen Saberschinsky.

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