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Berlin: Der fliegende Onkel

Brigitte Grothum trägt sich ins Goldene Buch Schönefelds ein – als Nichte eines Flugpioniers

In Schönefeld wird Brigitte Grothum am morgigen Mittwoch eine besondere Ehrung zuteil. Im Rathaus trägt sich die Schauspielerin um 11 Uhr ins Goldene Buch der Gemeinde ein. In Schönefeld ist die Berlinerin zwar auch bestens als Regisseurin der „Jedermann“-Festspiele und eine der unvergessenen „Drei Damen vom Grill“ bekannt – den Eintrag ins Goldene Buch aber verdankt sie aber ihrem Onkel Hans Grade. Der liegt zwar schon seit 1946 in Borkheide bei Potsdam auf dem Friedhof, ist aber als erster deutscher Motorflieger unvergessen. Zumindest bei denen, die sich für die Fliegerei interessieren. So wie der Schönefelder Bürgermeister Udo Haase.

„Ein Herz und eine Seele“ sei er mit Brigitte Grothum, nachdem er sie durch Zufall kennengelernt hatte und dabei erfuhr, dass sie die Nichte von Hans Grade ist. Nicht nur in Berlin-Neukölln ist eine Straße nach ihm benannt, sondern auch in der Gemeinde Schönefeld – und obendrein die wichtigste. Außerdem gibt es im Rathaus gibt es den Hans-Grade-Saal. Wenn es nach Haase und Grothum geht, soll es bald noch mehr über diesen brandenburgischen Pionier der Luftfahrt geben – so eine ständige Ausstellung über ihn im Rathaus Schönefeld. Am 30. Oktober 2009 gäbe es dazu einen direkten Anlass. Da jährt sich zum 100. Mal, dass Hans Grade den Lanz-Preis und damit 40 000 Mark gewann. Mit seinem selbst konstruierten, selbst gebauten und selbst geflogenen Eindecker aus Holz, Draht und Leinwand mit einer Spannweite von 10 Metern und mit einem VierzylinderZweitaktmotor mit 24 PS erfüllte er damals die Wettbewerbsanforderungen des Preisstifters Karl Lanz nach einer „rein deutschen Flugzeugkonstruktion“, mit der er in Johannisthal die vorgeschriebene Acht um zwei einen Kilometer entfernte Wendemarken flog. Erstmals hatte er sich 1908 in die Lüfte erhoben – auf dem Exerzierplatz in Magdeburg startete er mit seinem Dreidecker mit Sechs- Zylinder-Motor und flog in 8 Meter Höhe etwa 100 Meter weit – das endet zwar mit einer Bruchlandung, war aber die Geburtsstunde des deutschen Motorflugs.

Bescheiden sei er gewesen und habe keinen Wind um sich gemacht, erinnert sich Brigitte Grothum an den eigenbrötlerischen Tüftler. Nach dem Ersten Weltkrieg, als in Deutschland keine Flugzeuge gebaut werden durften, entwarf er in seiner Flugzeugfabrik in Borkheide einen zweisitzigen Kleinwagen. „Der kleine Grade“ wurde bis 1924 etwa 1000 Mal produziert. Steinreich hätte ihr Onkel später werden können, sagt die Nichte. Als Pazifist habe sich Grade aber nicht in die Rüstung einbinden lassen – bettelarm sei er 1946 gestorben. Seine Witwe war die älteste Schwester von Brigitte Grothums Vater, der einst auch als Konstrukteur bei Grade gearbeitet hatte, bevor er eigene Wege verfolgte. Um seiner Schwester zu helfen, kam er nach dem Tod des Flugpioniers mit seiner Familie nach Borkheide zurück. Dort führte er eine Autorepaturwerkstatt, bis er 1950 nach West-Berlin flüchtete.

Brigitte Grothum erbte das denkmalgeschützte Anwesen des Onkels – das Wohnhaus ist vermietet und die einstigen Fabrikanlagen, in denen deutsche Fluggeschichte geschrieben wurde, verrottet und zerfallen. Einen „Grade-Spinner“ mit Geld müsste man dafür finden, sagt Brigitte Grothum, die die Erinnerung an den Onkel mit seinen fliegenden Kisten aufrechterhalten möchte. hema

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