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Berlin: Der Gegenpapst

7000 Kirchen-Rebellen scharen sich um den Theologen Hans Küng

Viele haben ihrem Idol das Frühstück geopfert. Um acht Uhr saßen sie auf Papphockern in Halle 11.2. Die 4000, die nach neun kamen, mussten draußen bleiben. 3000 in 11.2, mehr ging nicht. Drinnen bliesen Posaunen wie für einen Staatsakt. Fünf nach zehn kam er: Hans Küng. Der umstrittene katholische Theologe ist so eine Art Gegenpapst. Eingeladen hatten ihn die „Kirchenvolksbewegung“ und die Initiative „Kirche von unten“. Das sind die, die auch gegen den offiziellen Willen vor drei Tagen das umstrittene ökumenische Abendmahl durchgesetzt haben.

Küng ist 75, ein kleiner Mann mit blau-weiß gestreiftem Hemd, Krawatte und zarter silberner Brille. Als er aufs Podium stieg, johlten Tausende, stampften mit den Füßen und zückten die Kameras. Hans Küng fürs private Familienalbum.

Seit dreißig Jahren lese er praktisch jedes gedruckte Wort von Küng, sagt ein 62-jähriger Hamburger. Jetzt wollte er ihn endlich mal sehen. Ihm ist es ein bisschen peinlich, dass er wie ein Teenager auf einem Popkonzert ein Starfoto macht. „Ich habe auch anderes fotografiert“, sagt er.

Küng lächelt auf der Bühne ein schiefes Lächeln. Denn als guter Christ darf man über solchen Starrummel nur halb stolz sein. Im Angesicht Gottes, sind wir da nicht alle Staubkörner? „Es gibt keine vollkommene Kirche“, legt Küng mit Schweizer Akzent los. Jeder Satz ein Punktsieg, eine schallende Ohrfeige gegen die römisch-katholische Amtskirche. Das lieben die Fans und danken es ihm mit dröhnendem Applaus im Minutentakt.

Über „Christsein ohne Heiligenschein“ soll Küng sprechen. Sein Credo: Nicht die Dogmen der Kirchen bestimmen das Christsein, sondern Jesus von Nazareth. Jesus als Mensch unter uns und Jesus als Gesandter Gottes. Dann verkündet Küng seine Botschaft der Barmherzigkeit und Liebe, wie sie Jesus verheißen habe. „Liebe, die auch Feinde respektiert und sie nicht liquidiert.“ Applaus. Manche Zuhörer haben ihren Augen geschlossen, um wie bei einem Konzert das Gehörte mit allen Poren aufzusaugen. Besonders gut kommen auch die Vergleiche: Man müsse sich mal Jesus im Petersdom vorstellen oder im jetzt wieder betenden Weißen Haus.

Nach einer Stunde ist Schluss. Dann signiert der Star, was greifbar ist: Kirchentagsprogramme, Zettel, Bierdeckel – und seine eigenen dicken Bücher, die die Fans von weit her geschleppt haben. Küng lesen, sehen und nach Hause tragen.

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