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Berlin: Der Geist der FU

Eine Ausstellung in Dahlem feiert fünfzig Jahre Henry-Ford-Bau

Walter Momper wirkt bewegt, wenn er an seine Studentenzeit denkt. „Was für eine lebendige Universität“, sagt er über seine Jahre an der Freien Universität. Es ist die zweite Hälfte der Sechzigerjahre, von der Momper schwärmt. Dozenten wie Ossip K. Flechtheim und Richard Löwenthal haben den Zuwanderer aus Bremen bis heute beeindruckt. Er spricht von dem „Geist der FU, den man ja heute keinem mehr erklären kann“.

Das versucht eine Ausstellung im ersten Neubau der FU, im Henry-Ford-Bau, der jetzt fünfzig Jahre alt wird. „Viel Text“, verspricht FU-Präsident Dieter Lenzen, „das ist eine Wissenschaftsausstellung.“ Es könnte schwieriger sein. Die Texte zur Forschung und zur Geschichte sind kurz und populär-wissenschaftlich. Die Universität hat ihr Profil geschärft. Am Kunsthistorischen Institut gibt es eine Forschungsstelle „Entartete Kunst“. Forscher versuchen herauszufinden, was aus den Werken geworden ist, die die Nationalsozialisten „entartet“ nannten. Gegenüber sieht man ein kleines Notizbuch. Es gehörte einem Geologen der FU. Der hatte es in einer chilenischen Salzwüste verloren, in der er die Verschiebung der Kontinentalplatten erforschte. Wochen später fand der Geologe sein Notizbuch durch Zufall – überzogen von einer millimeterdicken Salzschicht.

Das ist die Gegenwart. An die denkt man auch, wenn man in der Eingangshalle, unter der Decke schwebend, die großen Schwarz-Weiß-Fotos von bekannten und sehr bekannten Leuten sieht, die hier studiert oder gelehrt haben. Richard Löwenthal, Klaus Schütz, Hanna-Renate Laurien, Arnulf Baring, Otto Schily, Rudi Dutschke. Unter den Charakterköpfen erzählen Fotos Geschichten. Junge Männer auf Strohlagern: Medizinstudenten, die 1950 in der FU übernachteten. Im Ostteil Berlins fand das Deutschlandtreffen der FDJ statt – die FU-Studenten wollten mit ihrer Übernachtungsaktion die Gebäude gegen Besetzer aus dem Osten schützen. Ein Raum in Trümmern – das Rektorat nach der zweiten Besetzung 1968. In einer Vitrine: Papiertüten. Auf die Tüten ist in markantem Strich ein Gesicht gezeichnet. Man zog sie sich über den Kopf, sie hatten Augen zum Durchsehen. Dann sah man sah aus wie eine Karikatur des Schahs von Persien. Eine Plakatwand der Maoisten von 1979. So standen sie meterweise in den Gängen der Universität. Davor, wie ein Kind auf dem Bauch liegend, ein junger Mann im Pollunder. Immerhin – er las.

Die Ausstellung in der Garystraße 35 in Dahlem ist am Eröffnungswochenende (16./17. Oktober) von 10 bis 18 Uhr geöffnet, danach wochentags von 9 bis 20 Uhr.

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