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Berlin: Der Herbergsvater

Nizar Rokbani gab seiner Firma einen deutschen Namen und machte Berlin zur Hostel-Hauptstadt – trotz bürokratischer Hemmnisse

Ein klassischer Hotelier würde das nie zugeben, Nizar Rokbani tut es ganz locker: „Die Leute kommen ganz sicher nicht wegen Meininger nach Berlin.“ Sondern wegen Berlin – und deshalb ist es Rokbanis wichtigstes Ziel, so viel wie möglich vom Geist der Stadt in seine Hostels zu bringen. Der 36-jährige Sohn tunesischer Eltern ist einer von drei Gesellschaftern der Meininger-Gruppe, die seit der Gründung 1999 einen rasanten Aufstieg hingelegt hat. 2008 will man rund 16 Millionen Euro umsetzen. Zusammen mit dem noch etwas größeren Konkurrenten A&O hat Meininger Berlin zur Hauptstadt der Hostels gemacht; das Erfolgskonzept bewährt sich längst auch in London, München, Köln und Wien. Gegenwärtig steht ein viertes Berliner Haus am Senefelderplatz vor der Eröffnung.

Es begann mit einer einfachen Idee. Rokbani, der schon mit 13 seiner Mutter bei der Arbeit im Hotel half, dann Betriebswirtschaft studierte und in verschiedenen Hotels klassischen Typs arbeitete, fand diese Art Hotel langweilig, wollte es lockerer. Einen Hotelier Meininger hat es nie gegeben: Das erste Haus, in dem Rokbani seine Ideen ausprobierte, lag nur eben zufällig in der Meininger Straße in Schöneberg. Der Name war gefunden. „Er wirkt deutsch“, sagt Rokbani, „das hat in der Hotellerie einen guten Klang.“ Es begann mit einer Art privatwirtschaftlicher Jugendherberge: Die Gäste buchten keine Zimmer, sondern Betten im „Dorm“, einer Gemeinschaftsunterkunft für acht oder mehr Gäste.

Inzwischen ist das Konzept variantenreicher, bietet längst auch Einzel- und Doppelzimmer klassischen Zuschnitts wie im Drei-Sterne-Hotel, freilich kostengünstig bestückt mit Ikea. Das Geheimnis steckt woanders: „Diese Gruppe da“, sagt Rokbani und weist auf sechs junge Leute um die zwanzig, die vor dem Haus am Halleschen Ufer in der Sonne palavern, „die haben sich garantiert erst gestern Abend kennengelernt und fahren jetzt zusammen in die Stadt.“

Die kommunikative Atmosphäre der Hostels zieht viele Gäste an, die sich teurere Unterkünfte locker leisten könnten. Doch sie wohnen lieber hier, wo man schon sehr starrsinnig sein muss, um dem Kontakt mit anderen auszuweichen. Man trifft sich in den Bars und am Frühstücksbüffet, bei gemeinsamen Stadtführungen und Kulturveranstaltungen – oder auch bei Abendessen, die das Programm gelegentlich ergänzen. Das Management forciert dieses Angebot, lässt dafür externe Anbieter in die Häuser. Und definiert damit auch den größten Unterschied zu den konkurrierenden Budget-Hotels, die bei Einzel- und Doppelzimmern kaum teurer sind, „aber viel langweiliger“, wie Rokbani sagt.

Konsequent, dass das Personal nicht im grauen Anzug durch die Häuser wuselt. „Unsere Leute sehen so aus, dass sie auch Gäste sein könnten“, sagt der Chef, „und sie können selbst entscheiden, ob sie die Gäste duzen oder nicht.“ 108 Mitarbeiter hat Meininger gegenwärtig, von den 20 Festangestellten in der Zentrale bis zu Praktikanten und Azubis. Hierarchien gibt es nicht, Mitarbeiter werden per Internet gesucht. „Wir nehmen Bewerbungen nur per E-Mail entgegen, weil wir dann schon mal sehen, ob die Leute mit der Technik umgehen können“, sagt Nizar Rokbani, der etwa die Hälfte der Buchungen aus dem Internet hereinbekommt, Tendenz steigend.

Durch die Expansion ins Ausland hat Rokbani seinen Erfahrungsschatz erweitert. „Wir bleiben Berlin treu“, sagt er kategorisch, formuliert aber auch deutliche Kritik an seiner Heimatstadt. Denn er hat verblüfft registriert, dass die Stadtverwaltungen von London und Wien ausländischen Investoren unentgeltlich Berater stellen, die sich um absolut alles kümmern, von der Suche nach geeigneten Mietobjekten bis hin zum Telefonanschluss. „Das kann sich Berlin wohl einfach nicht leisten.“ Der Aufbau des neuen Hauses am Senefelderplatz war für ihn ein Lehrstück in Bürokratie: mehrere Verwaltungsebenen, verstreute Zuständigkeiten, lange Diskussionen über technische und gestalterische Details, die das Projekt teurer machen, eben das volle Berliner Programm. Wien, auch ein Neubau, sei dagegen geradezu ein Muster an Transparenz und Tempo, meint Rokbani; die Behörden dort hätten wirklich alles getan, um das Projekt zu fördern.

In Berlin hat sich der quirlige Macher – verheiratet, zwei Kinder – erst langsam durchgesetzt. Es dauerte Jahre, bis die Hostels von den Offiziellen der Stadt und der Branche wahrgenommen und als eigenständige Kategorie akzeptiert wurden. Manch altgedienter Hotelier zuckt heute noch zusammen, wenn er auf die Website „www.bock-auf-berlin.de“ gerät, die zum Angebot der Berlin-Tourismus-Marketing (BTM) gehört und sich an junge Besucher wendet. „Haben wir eine Weile für kämpfen müssen“, sagt Rokbani, der als Vorsitzender der Abteilung Jugend und Sport der BTM-Partnerhotels eine Art Jugendwart der Berliner Hotellerie ist. Bald können über die offizielle Website auch Betten in den Dorms gebucht werden – der Ritterschlag für das einstige Schmuddelkind der Branche.

Die Serie finden Sie auch im Internet unter www.tagesspiegel.de/chancen.

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