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Berlin: Der Hüter des Kanzlergartens

Am Wochenende schlendern zehntausende Gäste über seinen Rasen. Zu Besuch bei dem Mann, der für das Grün bei Schröder zuständig ist

Er gehört zu denen, die sich an ihrem Arbeitsplatz zu Hause fühlen. Und für den tausende Berliner, die über seinen Rasen trampeln, nur ein kleines Übel sind. Joachim Szillat hütet seit 26 Jahren Deutschlands mächtigste Grünanlage – den Park des Bundeskanzleramtes. Szillat fing unter Helmut Schmidt in Bonn an, erlebte Helmut Kohl, unzählige Staatsgäste und schließlich Gerhard Schröder, mit dem er 2001 nach Berlin das neue Kanzleramt bezog.

Für den 47-Jährigen ist es ganz normal, wenn der Regierungschef über seinen Rasen läuft. „Erst gestern kam er mit dem Hubschrauber aus Hannover hier an“, sagt er und zeigt auf den Landeplatz auf der dem Kanzleramt gegenüberliegenden Spreeseite, „und hat mich und meine Auszubildenden begrüßt.“ Zwei Lehrlinge bildet Szillat aus, die die Rasen mähen, Blumen und Sträucher anpflanzen und die Wege säubern. Gemeinsam mit vier weiteren Kollegen bilden Sie die grüne Eingreiftruppe des Kanzlerparks.

Wie wird man Gärtner an solch einem Ort? „Das war eigentlich Zufall“, erzählt der Szillat, dessen gepflegter Bart und seine ausgewogene Wortwahl seine Liebe zur Gartenpflege durchschimmern lassen. Gelernter Gärtner, suchte er nach seiner Bundeswehrzeit einen Job und meldete sich Arbeit suchend. Kurze Zeit später hatte er den Chefgärtner des Kanzleramtes persönlich am Telefon, seinen Amtsvorgänger. „Natürlich war ich da erstmal sprachlos“, erzählt Szillat. „Als ich dann noch den herrlichen Park am Rhein sah, die gepflegten Wege und die alten Bäume, da war mir sofort klar: Hier muss ich bleiben.“ Er bekam den Job – vielleicht ja auch, weil Szillat, der aus einem kleinen Dorf an der Mosel kommt, mit seiner warmen, gleichwohl zupackenden Art und seinem angenehm sonoren Moseldialekt auch ein Weinbauer sein könnte, der nachts noch einmal jede Riesling-Rebe einzeln durchzählt.

Was macht ein Kanzlergärtner den ganzen Tag? „Am zeitaufwändigsten ist das Vertikulieren der Rasenflächen.“ Vertikutieren, das ist so etwas wie die Kernkompetenz jedes Gärtners. Mit einer Art Rasenmäher mit kleinen, beweglichen Harken holen Szillat und seine Leute Filz und Moos aus dem Rasen. Hat Szillat Angst vor den Zehntausenden, die am Wochenende seine Idylle bedrohen? Oder vor Demos gegen Hartz IV? „Ach wo. Der Park ist an Trubel gewöhnt. Die Gäste haben sich in den vergangenen Jahren an die abgekordelten Routen gehalten und Blumen und Rasen geschont. Kein Vergleich mit Silvester, wenn der ganze Park voller Feuerwerkskörper liegt.“ Besonders hegt Szillat eine kleine, unscheinbare Rasenfläche, die sich auf der Spreeseite des Amtes befindet, kurz vor der Brücke in den Kanzlergarten, wie der Parkteil auf der anderen Flussseite heißt. Es ist ein Wiesenstück aus dem Berner Wankdorf-Stadion. Bevor die Kultstätte 2001 abgerissen wurde – der Ort, an dem die Bundesrepublik 1954 Fußball-Weltmeister wurde – schenkte der Schweizer Bundesrat Moritz Leuenberger Deutschland das Rasenstück. „Es hat sich mittlerweile gut in seine Umgebung eingefügt“, sagt der Garten-Experte.

Und wie steht Szillat zum Kanzler? Zur Regierungspolitik mag er sich nicht äußern, und zu Gerhard Schröders aktuellen Familienangelegenheiten auch nicht. Nein, einen Kinderspielplatz gebe es nicht im Kanzlergarten, und geplant sei das auch nicht. Frau Schröder-Köpf möge Rosen sehr gerne, vor allem die Sorte Gloria Dei, die eine Schulklasse einmal im Kanzlerpark eingepflanzt hat. Das ist dann aber auch alles, was der Gentleman mit der Gartenschere so preisgibt.

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