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Berlin: Der Marathon-Mann

Sir Rocco Forte sammelt Luxushotels. Schon bald wird er auch eines in Berlin besitzen 150 Millionen Euro hat er dafür am Bebelplatz investiert. Hier soll das Beste vom Besten entstehen

Hotelkette, Konzern, nein, diese Begriffe haben nichts mehr mit ihm zu tun. Diese Begriffe sind von gestern, verbunden mit der Niederlage seines Lebens, aber nicht mit seiner Gegenwart oder Zukunft. So sieht er es. Und „Kollektion“ beschreibt das, wofür er inzwischen steht, doch ohnehin viel besser, nicht wahr?

Die Kollektion des Sir Rocco Forte besteht aus Grandhotels, Fünf-Sterne-Häusern. Elf Exklusivherbergen hat die Unternehmensgruppe Rocco Forte Hotels, deren Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär er ist, in den vergangenen zehn Jahren in Europa eröffnet. Eine davon soeben in Frankfurt am Main, eine weitere soll im September in Berlin folgen: das Hotel de Rome am Bebelplatz, Teil des künftigen Opernkarrees, in jenem Gebäude, in dem von 1889 bis 1945 die Dresdner Bank ihren Hauptsitz hatte. Die Präsidentensuite zum Beispiel, ist 120 Quadratmeter groß, mit Blick über den Bebelplatz, es soll Zimmer mit Doppelbadewannen mit Marmormosaiken geben, und einen Ballsaal für 350 Menschen. Unter anderem. Das Hotel soll das beste der besten in der Stadt werden.

Um seine Hotel-Kollektion zu bewerben, ist Forte nach Berlin gekommen, auf die Internationale Tourismus Börse. Der Stand seiner Hotels ist ein weißer Kubus mit einer Art Empfang im Erdgeschoss und einem ersten Stock. Die Geräusche der Halle schwappen gedämpft dort hinauf, Duftkerzen verströmen den Geruch von Lemongras. Der Chef trägt Nadelstreifenanzug, blaues Hemd, italienische Krawatte, dezente Manschettenknöpfe.

Es gibt genügend Menschen, die einwenden, Berlin habe eine Menge Dinge nötig, aber ganz sicher keine neuen Hotels. Forte sagt, „im Moment vielleicht nicht“, aber das scheint ihn nicht ernsthaft zu beunruhigen. Er lächelt, nachsichtig, wie ein Vater, der seinem Sohn zum hundertsten Mal erklärt, wie der mathematische Dreisatz funktioniert. „Man investiert nicht in Boom-Zeiten, sondern kurz bevor es aufwärts geht.“ Berlin ändere sich schnell. „Es wird zum Finanzzentrum. Alle wichtigen Banken haben eine Niederlassung.“ Nur für den Fall, dass man ihm nicht glaubt, schiebt er einen Satz hinterher, den man zuletzt höchstens von Wirtschaftssenatoren oder Tourismuswerbern zu hören bekam. Er sagt: „Berlin ist die Hauptstadt der Chancen.“ Ist das Größenwahn?

Vielleicht. Anderseits: Komplimente kosten nichts. Das Hotel de Rome dagegen schon. In den Umbau steckt Forte 150 Millionen Euro, der Pachtvertrag soll 20 Jahre laufen. Alles in allem ist das auch für einen Engländer, der aus einer Hoteldynastie stammt, keine Kleinigkeit. Und jemand, der eine solche Niederlage hinter sich hat wie er, ist sich dessen, was er tut, vermutlich sehr bewusst.

Anfang der Neunzigerjahre flog Forte im Privatjet um die Welt, um ein Imperium von 800 Hotels, 1000 Restaurants und rund 100 000 Mitarbeitern in 30 Ländern zu kontrollieren. Er war angekommen. Sein Vater hatte den britischen Hotel-, Gaststätten- und Cateringkonzern Trusthouse Forte aufgebaut. Nach Nettogewinnen und eigenen Angaben war Trusthouse Anfang der Neunziger der größte Konzern seiner Art weltweit. Und er, Rocco Forte, übernahm den Vorstandsvorsitz. Mit Ende vierzig, „viel zu spät“, wie der heute 61-Jährige sagt. Und dann war ihm sein Geschäft, auf das er so lange gewartet hatte, entglitten, bevor er es wirklich prägen konnte.

Forte versuchte, das schwerfällige Unternehmen zu straffen und sich auf internationale Hotellerie zu konzentrieren. In wenigen Jahren steigerte er die Profite um das Fünffache. „Ich weiß“, sagt er, „dass wir auf dem richtigen Weg waren“. Seine Aktionäre sahen das offenbar anders. Sie stimmten 1996 einem Übernahme-Angebot des Finanz- und Medien-Unternehmens Granada zu.

Der Verkauf brachte 3,9 Milliarden Pfund, damals rund 12 Milliarden Mark, knapp ein Zehntel davon ging an die Familie Forte. „Es war der Ausverkauf meiner Gefühle“, sagt Rocco Forte heute.

Englische Blätter schrieben damals, dieses Scheitern sei die Chance seines Lebens; die Chance, sich aus dem Schatten seines Vaters zu lösen. Sein Vater Charles, Lord Charles, war der Hotelkönig. Er hatte sein Imperium aus dem Nichts aufgebaut. Es ist nicht einfach, so einen Vater zu haben. „Wenn es gut lief, wurde das meinem Vater zugeschrieben, wenn etwas daneben ging, war ich es“, sagt Forte. „Aber“, er macht eine Pause. „Das alles ist Vergangenheit.“

Forte hätte versuchen können, sich mit dem Geld ein schönes Leben zu machen. Mit seiner bildschönen Frau, die 20 Jahre jünger ist als er – der Sir und die italienische Lady, ein schillerndes Paar –, und mit den drei Kindern. Ein Leben in vornehmer Gesellschaft. Aber damit allein wäre er wohl nicht glücklich geworden. Und jemand, der regelmäßig Marathon läuft, und den Ironman-Triathlon mitmacht, kann nicht einfach aufgeben. Wenige Monate nach der Übernahme und der Zerschlagung der alten Firma fing er neu an. Eröffnete zwei Luxushotels, in Großbritannien und in Italien.

In dem Nadelstreifenanzug steckt ein Mann, der zwar nicht groß ist, aber agil und drahtig wirkt. Kein Gramm zu viel, er hält Diät. So soll auch sein neues Unternehmen sein. Seine neue Strategie: Weniger ist mehr, nur keinen Riesenkonzern mehr aufbauen. Jetzt sieht er sich als privaten Unternehmer, der nicht mehr von Analysten gejagt werden will. Einige der Rocco Forte Hotels gehören ihm, andere hat er gepachtet. Er sagt: „Alles ist in Familienhand.“

Forte ist keiner jener farblosen Manager, denen es die Sprache verschlägt, sobald es nicht mehr um Geschäftszahlen geht. Er gerät ins Schwärmen, wenn er von Spitzenhotels wie dem Beverly Hills, dem Cipriani oder der Villa d’ Este erzählt. „Diese Häuser haben einen unverwechselbaren Charakter. Das sind Kunstobjekte.“ Elegant und stilvoll, aber nicht steif. Forte sucht nach Schönheit, Tradition, Eleganz. Berlin, findet er, habe zu große, zu steife Riesenherbergen, teils mit 300 Zimmern. Sein Haus soll die Hälfte davon haben.

Marc Neller

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