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Berlin: Der Refrain soll niemals enden

Die Fans der Schlagersängerin Manuela treffen sich jährlich in Berlin. Am Sonnabend war es wieder soweit: Schuld war nur der Bossa Nova

Von Deike Diening

Ernst-Heinz Breil selbst ist „von niemandem Fan", das Fanwesen ist ihm ein Rätsel. Und doch ist Breil, der eigentlich Adelsexperte ist, extra aus Köln angereist. Er will eine Biographie schreiben über Manuela, die eigentlich Doris Wegener hieß und am 18. August 59 Jahre alt geworden wäre. „Keine langweilige Künstlerbiographie", schwebt ihm da vor, „sondern ein Schicksal“. Und dieses Schicksal muss man verstehen, will man die Anhänglichkeit ihrer Fans verstehen, von denen am Sonnabendnachmittag etwa 30 in das Hotel im Spandauer Gewerbegelände gekommen sind, auf dessen Fluren es nach Reinigungsmitteln riecht.

Zuerst sind sie zum stillen Gedenken an das Grab der Berlinerin auf dem Alt-Tegeler Friedhof gefahren. Dort wurde Manuela vor anderthalb Jahren beigesetzt. Aber jetzt gibt es Kaffee und Kuchenbuffet: Butterstreusel, Kirschstreusel und Apfelstreusel.

Breil weiß alles über Manuela. Er weiß über ihre Weddinger Anfänge, dass sie nicht Friseurin werden durfte, weil ihre Mutter das Lehrgeld nicht zahlen konnte. Er weiß, wie sie in einer Kondensatorenfabrik das Löten begann und schließlich in einer Weddinger Kneipe das Singen. Der Wirt hat sie danach jedes Mal nach Hause fahren müssen. Er weiß von ihrem ersten großen Erfolg „Schuld war nur der Bossa Nova", dessen „unzüchtiger Text" ihr beim bayrischen Rundfunk ein Spielverbot einbrachte. Und er weiß vom Krebs, dem sie schließlich erlag.

Breil weiß, was hier alle wissen: Dass Manuela böse ausgenutzt wurde von ihrem Manager, „der ja dummerweise auch ihr Lebenspartner war“. Wie der sie aus Gier aus den USA zurückgeholt hat, wo sie ohne ihn Erfolg zu haben begann. Für Breil ist der Mann nur „der Hintertreppenterrier". Dagmar Alexander Zech kennt die Sängerin noch aus dem Gesangsunterricht. Sie zeigt ein kleines Schwarzweißfoto, das sie mit der Gesangslehrerin vor einem Eichenbuffet zeigt. Früher hatte sie sich immer gewundert, dass Manuela sich kaum schminkte: Nur einen Schönheitsfleck hatte sie sich mit Augenbrauenstift auf den linken Wangenknochen gemalt. Und manchmal, da hat Manuela im Wandschrank ihrer winzigen Dachmansarde Musik gemacht. Hätte Dagmar Alexander Zech mehr Ehrgeiz gehabt, wäre sie selbst Sängerin geworden. Jetzt ist Manuela ihr Stellvertreterschicksal. Die Kellnerinnen mit ihren geprägten nsschildern gießen Kaffee nach, bis die ersten zittrig werden. „Manuelas Fans sind mit gealtert", sagt Breil. „Das ist ja das Tolle." Die meisten sind längst ergraut. Der Raum ist mit Manuela-Postern dekoriert, und „die Uschi" hat Autogrammkarten zur Tischdekoration mitgebracht. Manuelas Musik läuft ziemlich laut vom Band. Klaus Dittmer ist Manuelas jüngerer Bruder und betreut hauptsächlich seine kranke Mutter. Aber wenn er Zeit hat, beantwortet er Fanpost – und erfüllt bis zu 40 Autogrammwünsche pro Woche. „Ich habe noch mehrere Motive vorrätig, die Manuela vor ihrem Tod auf Vorrat unterschrieben hatte“, und so bekommt immer noch ein Originalautogramm, wer in die Charlottenburger Chaussee 107, 13597 Berlin, schreibt. Wenn seine Schwerhörigkeit das Telefonieren zulässt, spricht er mit Breil und versucht, die Puzzlestücke für dessen Biographie zusammenzusetzen. Das sind die guten Tage. An Manuelas Leben schreibt auch Reiner Heiser mit: Der Mann mit Bart und grün-weißem Hemd bringt in Braunschweig die „Manuela-Club-Post“ heraus, in einer Auflage von 200 Exemplaren. Er denkt nicht daran, das Blatt nach ihrem Tod einzustellen, auch wenn es nur mehr über die jährlichen Fantreffen berichten kann „Seien Sie gnädig mit uns“, hatte Heiser gesagt , „dies ist ein Hobby." Er weiß, dass viele Leute komisch finden, was sie hier machen. Einen Verlag hat auch Breil für seine Biographie noch nicht gefunden. „Die meisten Redakteure, die kennen Manuela gar nicht", seufzt er. „Damit fängt es ja schon an."

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