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Kreativvolk. Zum Ensemble der Show gehören Tänzer, DJs, Sänger, Musiker, Artisten – und natürlich sind alle aus Berlin.

© promo

Neue Show "Berlin Nights": Der Sound, der wach hält

„Berlin Nights“ heißt die neue Show im Theater am Potsdamer Platz. Künstler und Szeneleute bringen eine Hommage an das Nachtleben ihrer Stadt auf die Bühne.

Drei-Tage-Bart, dunkle Wollmütze, Kapuzenpulli. Dieser Mann ist alles andere als ein kühl kalkulierender Musical-Manager. Gewinnaussichten? Keine Rede davon. Aber wenn Björn Scheffler erzählt und zwischendurch vor lauter Begeisterung sogar ein paar Tanzschritte macht, so nimmt man ihm ab, dass es hier um eine Herzensangelegenheit geht. Vor fünf Jahren hatte er erstmals die Idee, eine Hommage an Berlins „einzigartiges Nachtleben“ auf die Bühne zu bringen, bunt und pulsierend wie die Stadt selbst.

Eine Varieté-Konzert-Theater-Show von Berliner Künstlern sollte es sein, „für alle, die Berlin lieben“. Eingekaufte Stars und Show-Acts? Kein Thema. Der 39-Jährige wünschte sich Musiker, Sänger und Tänzer „aus der Szene, dem Untergrund.“ Originale eben, Berlin pur. Ein Ensemble, das von Berlin so überzeugt ist wie er selbst.

Am 24. März wird die Idee Wirklichkeit. Dann feiert „Berlin Nights“ Premiere im Theater am Potsdamer Platz. Anfang 2016 begann Scheffler, seine Vision zu realisieren. Nun schlendert er vor der riesigen Glasfront des Theaterfoyers über den Marlene-Dietrich-Platz, ziemlich entspannt, Coffee to go in der Hand, obwohl der Countdown läuft. Er trifft sich mit Bühnentechnikern seines Kreativteams, auch Showkünstler Andreas Swoboda, alias Renee, kommt dazu. Begrüßungsküsschen. Renee hat schon Mitte Januar mit Hip-Hop-Urgestein DJ Tomekk die Showhymne eingespielt. Der Titel: „I am Berlin“.

Päuschen vorm Mega-Poster. Showkünstler Andreas Renee Swoboda, Berlin Nights-Schöpfer Björn Scheffler, Breakdancer & Hip Hop-Tänzer Ardit Gjikaj und Christopher Schmidt, Fotograf des Kreativteams (von rechts nach links).
Päuschen vorm Mega-Poster. Showkünstler Andreas Renee Swoboda, Berlin Nights-Schöpfer Björn Scheffler, Breakdancer & Hip Hop-Tänzer Ardit Gjikaj und Christopher Schmidt, Fotograf des Kreativteams (von rechts nach links).

© Thilo Rückeis

Über den Köpfen der Crew am Platz prangt ein Mega-Poster auf der Theaterfassade: „Berlin Nights. The show sensation.“ Seit ein paar Tagen hängt es da. „Echt krass, der Knaller,“, sagt Renee. „Wir machen das Ding wieder auf, dieses Wahnsinnstheater. Was für ein Glück.“

Nach dem letzten Vorhang fürs Udo-Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ im August war unklar, was langfristig mit dem Gebäude passieren soll. Doch inzwischen will es „Stage Entertainment“ wieder verpachten. Das war Schefflers Chance. Er sicherte sich im Januar die Bühne für zwölf Shows. Ursprünglich sollte „Berlin Nights“ in der Mall of Berlin am Leipziger Platz aufgeführt werden, vieles war schon vorbereitet. Aber dann kamen komplizierte Behördenauflagen dazwischen, kurz vor der Premiere. Das war hart. Doch Björn Scheffler behielt die Nerven, rief bei Stage Entertainment an – und bekam den Zuschlag.

Nun gibt es eine neue, aktuellere Berlin-Story

Die Geschichte des Theaters endete mit Udos Berlin-Story aus der Mauerzeit, nun geht es dort weiter mit einer neuen, aktuelleren Berlin-Story. „Berlin Nights“ bringt die Berliner Nächte der vergangenen 15 Jahre auf die Bühne. Zuvor, in den 90ern, gab’s zwar schon den Urknall, die Nachtkultur kam langsam in Bewegung. Doch um die Jahrtausendwende ging’s dann so richtig los, in alten Fabrikhallen und anderen Edel-Trash-Adressen, auf Varieté-, Kabarett- und Kleinkunstbühnen, in Clubs und Klassiksälen.

Oft war dieselbe Adresse für verschiedenste Events gut: Am frühen Abend Kammerkonzert, danach wilde Party. Genau das erzählt die Geschichte von Berlin Nights. Mehrere grundverschiedene Berliner Nächte finden in ein und derselben Location an einem Showabend statt. Piano, Gesang, Tanz und Varieté gehören zum Kaleidoskop, Akrobatik, Club-Feeling, HipHop, Breakdance, Jazz, Funk, Revue – alles ist drin, bis zu Clärchens Ballhaus.

Entsprechend breit ist das Ensemble aufgestellt. Meisterpianist Timothy Thorson spielt Franz Liszt, während die zeitgenössische Tanztruppe Zanshin ihr Spiel mit Balance und Energiefluss betreibt. Die HipHop-M.I.K-Family lässt ihr „Monster raus“. Außerdem dabei: Die Akrobatik-Tänzer Fothamockaz, die Berliner Showgirls, die Breakdancer von Pedram & Airdit, das Varieté-Trio Tridiculous und Sänger Renee, einst stimmgewaltige Hauptfigur der Yma-Show im Friedrichsstadt-Palast, jetzt die geballte Ladung Extravaganz. Dazu kommt die Band von Nenas Gitarrist Nader Rahys. Urban Clubdance zeigt Samuel’s Crew – da tanzt auch „Berlin Nights“-Schöpfer Björn Scheffler mit.

In Marzahn aufgewachsen, war er einst ein Judoka-Jungstar. Später entdeckte er den Tanz, betreibt inzwischen mit den Leuten von Samuel’s Crew drei „Dance Halls“ in Berlin für Streetdance-Stile, sammelte als Eventmanager Erfahrung, ist tief in der Szene verwurzelt.

Es geht auch um die Freiheit & Toleranz der Stadt

Aber passt das denn alles zum luftigen, mit Licht und Offenheit spielenden Theaterfoyer von Stararchitekt Renzo Piano am Potsdamer Platz? Und zu dessen Riesensaal mit 1750 Plätzen? „Einerseits ja“, sagt Scheffler. Auch bei Berlin Nights gehe es doch um Freiheit, um die Weite und Toleranz der Stadt. Und dann ist da noch die Nähe des Theaters zum einstigen Techno Club „Tresor“ an der Leipziger Straße. Zurück zu den Wurzeln, sozusagen. Andererseits: Klar fehlt hier der Trash. Aber den schaffen sie gerade herbei. Foyer und Saal werden umgestaltet. Ihr Publikum soll vom ersten Schritt an den Eindruck einer alten Fabrikhalle mit rissigem Beton haben, in Anlehnung ans Berghain, E-Werk, Bar 25, Kater Blau oder das Kaufhaus Jahndorf in Mitte.

Scheffler kommt in Fahrt, zeigt auf einen Bauzaun, der quer stehen soll, schwärmt von Lichtfeffekten. Gleich am Eingang, sagt er, tritt man in einen Tunnel, „eng wie ’ne Clubpforte“. DJ Divinity legt im Foyer auf. Sascha Thies, Szene-Türsteher vom Bassy Club, begrüßt die Gäste, Show-Barkeeper Florent Rabate betreibt beim Cocktailmixen Flaschen-Akrobatik. So wünscht er es sich.

Weiter geht’s in den Saal, zurzeit noch eine Sinfonie in Rot. Scheffler springt auf einen Stuhl. Große Tücher sollen Mauerwerk vortäuschen, die Tiefe einer Fabrikhalle, Graffiti inklusive. Rampen führen von der Bühne in den Zuschauerraum. Die Künstler wollen nah am Publikum sein.

Dass alle Ensemble- und Crewmitglieder die Idee toll finden, auf Honorare verzichten, ihre Ode an die Nacht beschwingt vorantreiben und sich auf zwölf Spieltermine einigen konnten, ist für Scheffler ein kleines Wunder. „Wir geben alles“, sagt er. Der Schlusssong der Show ist ein Cover von James Browns „Living in America“. Das Ensemble macht daraus: „Living in a Berlin Night“.

Premiere am 24. März, 20 Uhr. Danach elf weitere Vorstellungen bis 9. April. Tickets ab 19 Euro, www.berlinnights.de.

HINTERGRUND: DAS MUSICAL-THEATER AM POTSDAMER PLATZ
Das Theater am Potsdamer Platz wurde 1999 eröffnet. Nach etlichen Musicals lief bis August 2016 „Hinterm Horizont“ mit Udo Lindenberg-Liedern. Es wurde abgesetzt, als nach sechs Jahren Spielzeit die Besucher wegblieben. Neue aussichtsreiche Stücke gab’s nicht. Deshalb beschloss die Stage Entertainment GmbH, das von ihr bis 2020 gemietete Haus zu schließen. Nur während der Berlinale zog kurz wieder Glamour ein. Doch inzwischen hat sich die Agentur besonnen, sie will das Theater wiederbeleben, an verschiedenste Nutzer verpachten – vom Firmenevent bis zur Show.

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