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Seine Startbahn wurde nicht stillgelegt. Aber früher war hier mehr los, sagt Wolfgang Witzke, der am Platz der Luftbrücke seinen Fliegerladen hat. Da kamen die Experten und kauften Luftfahrtkarten oder Navigationsinstrumente.

© Mike Wolff

Flughafen Tempelhof: Der Spaß ist verflogen

Seit zwei Jahren ist der Flughafen Tempelhof geschlossen, seitdem kommen immer weniger Kunden in den "Fliegerladen". Und nicht nur dorthin.

„Du musst nach vorn schauen“, das sagen manche so leicht. Doch wo Wolfgang Witzke auch hinblickt, er sieht nicht viel Grund zur Hoffnung. Rund um sein Geschäft „Der Fliegerladen“ am Platz der Luftbrücke und die Manfred-von-Richthofen-Straße hinunter blüht der Leerstand. In manchen Schaufenstern locken Banner wie „Räumungsverkauf – alles muss raus“ oder „Große Rabattaktion“. Auch die beiden großen Gewerbeflächen direkt neben Witzkes Laden stehen leer, rechts war ein Porzellangeschäft, links das Bierlokal „Münchhausen“. Und in der Nähe wartet ein früherer Lebensmittelladen seit zwei Jahren auf einen neuen Mieter. Auch nicht hinschauen möchte Witzke, wenn auf der anderen Seite des Tempelhofer Damms Tausende zur Modemesse Bread & Butter oder zu einem anderen Event auf dem ehemaligen Flughafengelände gehen. Denn kaum einer dieser Besucher – genau so wenig wie die Feierabend- und Wochenendgäste des Tempelhofer Felds – wechselt die Straßenseite, um in Witzkes Geschäft für Fliegerbedarf zu kommen. „Höchstens fragt mal eine Mutter nach einem Biene-Maja- Drachen“, sagt der 60-Jährige.

Seit der Schließung des Flughafens Tempelhof im Oktober 2008 hat Witzke gut die Hälfte seiner Kundschaft verloren, in der ersten Zeit hatte er sogar Einbußen von 80 Prozent. Inzwischen versucht er nur mäßig erfolgreich, neue Kunden über das Internet zu gewinnen und hat auch sein Sortiment für Spielwaren erweitert. Doch für die wirtschaftliche Gesundung des Geschäfts, in dem einst die Linienpiloten, Verkehrsflieger und Privatpiloten ein und aus gingen und englischsprachige Fachliteratur, Luftfahrtkarten oder Navigationsinstrumente kauften, reicht das nicht aus. „Wir wirtschaften hart auf der Kante“, sagt Witzke, der nun außerdem eine Mieterhöhung befürchtet. Angeblich seien die Mieten für die Wohnungen ringsum schon um 20 Prozent gestiegen. „Die Vermieter erzählen den Leuten, die Wohnqualität sei nun viel höher, da der Fluglärm weg ist.“ Doch das sei Quatsch, der starke Straßenlärm vom Tempelhofer Damm sei schließlich nach wie vor da, sagt Witzke.

Witzke, selbst Sportflieger, hat lange und mit Herzblut um Tempelhof gekämpft. Dass die Stilllegung nicht mehr zurückzudrehen ist, akzeptiert er inzwischen. Auch wenn er von vielen Geschäftsfliegern höre, dass sie den verkehrsgünstig gelegenen Standort vermissten. Was ihm selbst heute am meisten fehle, sei ein adäquates Nutzungskonzept für den ehemaligen Flughafen und seine denkmalgeschützte Gebäudeanlage, sagt Witzke, der diesbezüglich einige Ideen hat: Auf dem Gelände könne ein Luft- und Raumfahrt-Erlebnispark für junge Menschen entstehen, das Institut für Luft- und Raumfahrt der TU könne sich ansiedeln und außerdem könnten das Alliierten-Museum und das Luftwaffenmuseum der Bundeswehr aus den Ortsteilen Dahlem und Gatow hierherziehen. Auch für seine eigene geschäftliche Zukunft ist er auf der Suche nach einer realistischen Vision, vielleicht in Nachbarschaft des neuen Großflughafens BER in Schönefeld. Witzke hatte sich dort allerdings bereits um Gewerbeflächen beworben, doch daraus wurde nichts.

Nicht allen rund um den Platz der Luftbrücke geht es so schlecht wie dem Fliegerladen oder auch dem Schreibwarenhandel Korso, dessen Inhaber Heinz Genz über Umsatzeinbußen von bis zu 40 Prozent in den letzten Jahren klagt – allerdings weniger aufgrund der Flughafenstilllegung als wegen der stetig wachsenden Konkurrenz durch Discounter und das Internet. Manche Geschäfte wie die Landjuwel Fleischerei Genz am oberen Ende der Manfred-von-Richthofen-Straße haben von der Schließung des Flughafens sogar profitiert: „Bei Veranstaltungen auf dem Tempelhofer Feld belebt sich diese Ecke und viele Kunden nutzen unseren Mittagstisch“, sagt Geschäftsführer Markus Genz. Er ist im Kiez aufgewachsen und hat den Leerstand, unter anderem durch den Wegzug zweier Banken und mehrerer Reisebüros, schon wachsen sehen, als noch eingeschränkter Flugbetrieb auf Tempelhof war. „Das langsame Dahinsiechen des Flughafens hat der Gegend am meisten geschadet“, sagt auch Thomas Franke, Inhaber der „Apotheke am Flughafen“.

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