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Berlin: Der SPD-Chef kritisiert die eigenen Genossen

Im Streit um die Kandidaten für die Bundestags-Landesliste würden „Eigeninteressen über die Gesamtinteressen der Partei“ gestellt

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ostern 2004, nach dem Rücktritt des SPD-Landeschefs Peter Strieder, rutschten die Genossen auf Knien zu Michael Müller. Bitte, bitte, werde unser Landesvorsitzender! Er ließ sich überreden, aber jetzt tanzt ihm die Partei auf der Nase herum. Sein Vorschlag für eine Landesliste zu den Bundestagswahlen, die in wochenlangen Verhandlungen mit den zwölf SPD-Kreischefs und den Vertretern des linken und rechten Parteiflügels entstand, wurde vom Landesvorstand am Montag nur bis Platz 4 akzeptiert.

In Abwesenheit von Müller. Der ist im Urlaub auf Kreta und meldete sich gestern erstmals zu Wort. „Leider werden die Eigeninteressen mancher Kandidaten und der Bezirksverbände über die Interessen der Gesamtpartei gestellt“, kritisierte er gegenüber dem Tagesspiegel die eigenen Leute. „Ich bin nicht der erste SPD-Landeschef, der solche Erfahrungen macht.“ Im Beschluss des Landesvorstands, der für den parlamentarischen Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Ditmar Staffelt, keinen Listenplatz vorsieht, sieht Müller eine Vorentscheidung. „Da darf man sich nichts vormachen.“

Der SPD-Landeschef hatte vorgeschlagen, Staffelt auf dem aussichtsreichen Platz 5 zu nominieren. Die Parteiführung folgte ihm nicht und Müller ist sich „über die Außenwirkung dieses Votums durchaus im Klaren“. Trotzdem sehe er dem SPD-Parteitag am Sonntag, auf dem die Bundestagskandidaten nominiert werden, „entspannt entgegen“. Wird Müller in seiner Eröffnungsrede für Staffelt werben? „Das werden wir sehen.“ Auch der designierte Berliner SPD-Spitzenkandidat Wolfgang Thierse macht sich nicht ausdrücklich für Staffelt stark. Schon im SPD-Landesvorstand am Montag hatte der Bundestagspräsident signalisiert, dass er sich als Listenführer nicht berufen fühle, die übrigen Plätze zu verteilen.

Andere Kandidaten haben weniger Probleme, wieder in den Bundestag einzuziehen. Zum Beispiel der SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter, dem Platz 3 sicher ist. Er verstand es im Vorfeld der Kandidatenkür gut, die SPD-Rechte und die Linke für sich einzunehmen. Einerseits hegte und pflegte Benneter in seinem Kreisverband Steglitz-Zehlendorf die Kontakte zu den mehrheitlich linken Funktionären an der Basis. Andererseits beeindruckte er die Parteirechten als Trommler des Kanzlers für die Arbeitsmarktreform Hartz IV. Als Generalsekretär der Bundes-SPD beansprucht Benneter den Listenplatz 3 und signalisiert gleichzeitig Unterstützung für Staffelt, solange dieser auf eine Kampfkandidatur gegen ihn verzichtet.

An diese Vereinbarung will sich Staffelt brav halten. Ob ihm das hilft, steht auf einem anderen Blatt. Derweil staunt nicht nur der Wackelkandidat, dass sich der 62-jährige Bundestagsabgeordnete Detlef Dzembritzki stillschweigend auf Platz 6 vorschleicht. Das bundespolitische Profil des netten Reinickendorfer Ex-Bezirksbürgermeisters wird parteiintern fieberhaft gesucht. Er profitiert aber davon, dass sein Kreisverband halb links, halb rechts ist. Das schafft jede Menge Verhandlungsmasse.

Die SPD-Frauen wiederum sind kampfeslustig, weil ihnen der Vorstand für die ersten sechs Listenplätze nur zwei Kandidatinnen zugestehen will. Andererseits wissen sie, dass die Personaldecke – den weiblichen Teil der SPD betreffend – einigermaßen dünn ist. Nicht unbedingt dünner als bei den Männern. Aber auch in der SPD funktioniert immer noch das Platzhirsch-Prinzip. Es gibt löbliche Ausnahmen: So gibt sich der angesehene Haushaltsexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Jörg-Otto Spiller, mit einem Direktmandat in Mitte zufrieden.

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