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Wegen steigender Mietpreise weichen die Berliner bei der Wohnungssuche auf Alternativen aus.

© Kitty Kleist-Heinrich

Traumwohnung verzweifelt gesucht: Der Trend geht zum Wohnungstausch

Um dem Horror auf dem Wohnungsmarkt zu entgehen, verlegen sich immer mehr Berliner auf den Tausch von attraktiven und bezahlbaren Wohnungen. Die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt verschärft sich dadurch weiter.

Früher war Wohnungstausch ein Spaß für die Ferienzeit. Wer mal einen Tapetenwechsel brauchte, und sich das Hotel sparen wollte, sah sich auf entsprechenden Internetportalen nach geeigneten Angeboten im Zielland um. Jetzt haben Berliner Mieter das Prinzip für sich entdeckt. Sie tauschen ihre Wohnungen aber nicht gegen eine Finca in Spanien oder ein Penthouse in Paris, sondern gegen passende neue Wohnungen innerhalb des Stadtgebietes. Ihre Motivation ist dabei sehr unterschiedlich. In einem Punkt stimmen sie aber überein: Auf dem freien Wohnungsmarkt ist man chancenlos. Deshalb schaffen sie sich auf einschlägigen Internetportalen wie wg-gesucht.de oder studenten-wg.de ihre eigene Enklave.

Mittlerweile machen Tauschangebote auf den einschlägigen Mietportalen hier einen nicht unerheblichen Anteil an den Inseraten aus. Für die Suche nach einer Single-Wohnung in den Stadtteilen Mitte, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Neukölln spuckt wg-gesucht.de beispielsweise 42 Miet-Angebote aus. Sucht man nach Tauschangeboten, werden 28 Suchergebnisse angezeigt. Auf dem Portal studenten-wg.de bietet sich ein ähnliches Bild: Nachmieter werden in 15 Inseraten gesucht, zehn richten sich ausdrücklich an Tauschinteressenten.

Ein genauerer Blick in die Inserate zeigt: Für viele ist eine Veränderung der Lebensumstände ein Anlass zum Wohnungstausch. Wenn der Nachwuchs da ist, ein Paar zusammenziehen will oder das Einkommen gestiegen ist, suchen die meisten etwas Größeres. "Eine Einzimmerwohnung war für mich immer eine Zumutung, aber ich konnte mir nicht mehr leisten. Aber jetzt kann ich es", begründet beispielsweise eine Frau ihre Suche nach einer Zweizimmerwohnung im Westteil der Stadt. Die Suche auf dem freien Markt hat sie aber aufgegeben. "Der Markt ist dermaßen zu", sagt sie und beschwert sich über Massenaufläufe bei Wohnungsbesichtigungen, einem hohen Konkurrenzdruck und unverschämte Provisionsforderungen. Der Wohnungstausch biete eine Alternative, unabhängig von Maklern und Hausverwaltungen nach einer geeigneten Wohnung zu suchen, sagt sie.

Bei der Suche nach dem passenden Gegenstück zur eigenen Wohnung ist natürlich Geduld gefragt. Da müssen die Umstände einfach stimmen. Die viel gesuchten Zwei- bis Dreizimmerwohnungen werden meistens nach einer Trennung oder einer WG-Auflösung frei, wenn die Kinder ausgezogen sind oder wenn der Mieter etwas Günstigeres für sich sucht.

Welche Probleme der Trend zum Wohnungstausch nach sich zieht, lesen Sie auf Seite 2.

Der Trend zum Wohnungstausch ist nachvollziehbar, verschärft die sowieso schon angespannte Wohnungssituation aber zusätzlich. Denn gerade die begehrten Wohnungen – ein bis zwei Zimmer, Szenekiez-Lage – verschwinden vom freien Markt. Wer neu in der Stadt ist, hat schlechte Karten. Bei Neuverträgen kann der Vermieter die Preise anpassen - und da sind sieben bis zehn Euro pro Quadratmeter eher die Regel als die Ausnahme. Der Mietspiegel hat hier keinerlei Aussagekraft mehr.

Gerade deshalb stellt sich die Frage, ob die Immobilienbranche den Trend zum Wohnungstausch klaglos hinnehmen wird. Die Inserenten auf den Wohnungsportalen sehen da keine Probleme. "Im Vertrag wird dann einfach der Name geändert", erklärt einer, der seine derzeitige Wohnung schon letztes Jahr im Tausch ergattert hat. Der Vermieter werde sich sicherlich auch ein weiteres Mal darauf einlassen. "Hauptsache, er bekommt weiterhin sein Geld." Es sei ja sogar ein "großes Entgegenkommen" durch den Mieter, wenn er dem Eigentümer gleich einen Nachmieter präsentieren könne.

Die Gemeinschaft hat sich gegen die Immobilienbranche verschworen. Das Nachsehen haben aber auch Zugezogene und alle anderen, die keine attraktive Immobilie zum Tausch anbieten können. Das ist durchaus Kalkül der Einheimischen. "Wenn man eine Wohnung hat, die einem gefällt, fällt es schwer, die aufzugeben", begründet ein Angestellter aus Prenzlauer Berg sein Wohnungstauschangebot. Er selbst würde gerne nach Neukölln ziehen, am liebsten in eine WG, "um wieder unter junge Leute zu kommen". Auf der anderen Seite möchte er seine günstig gelegene Wohnung nicht an irgendwen weitergeben. Da muss schon Sympathie da sein. In letzter Zeit ist ihm aufgefallen, dass viele Ausländer, vor allem Spanier nach Berlin ziehen würden. "Das soll jetzt nicht rassistisch klingen", betont er. "Aber die überrumpeln Berlin gerade." Obwohl er seine Wohnung ausdrücklich nur zum Tausch anbiete, könne er sich schon jetzt kaum vor Anfragen retten.

Es ist eine nachvollziehbare Reaktionen: In Zeiten der Krise schotten sich die Menschen ab, sie schaffen sich ihre eigene heile Welt. Das Nachsehen haben diejenigen, die hier keinen Zutritt haben. Auch damit wird sich die Berliner Politik in naher Zukunft auseinandersetzen müssen.

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