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DEUTSCHPFLICHT FÜR „NACHZUGSBRÄUTE“ Grüne und türkische Verbände wollen gegen neues Gesetz klagen: Ratzmann: Deutschnachweis ist verfassungswidrig

Grünen-Politiker vertritt als Anwalt einen Mann, der seine Ehefrau ohne Sprachkenntnisse herholen will

Herr Ratzmann, Sie wollen erreichen, dass eine junge Türkin ohne Sprachkenntnisse nach Berlin ziehen darf. Widerspricht das nicht dem Zuwanderungsgesetz?

Das Zuwanderungsgesetz sieht vor, dass im Rahmen des Familiennachzugs grundlegende Kenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen werden, bevor entsprechende Titel zur Einreise in die Bundesrepublik erteilt werden. Ich halte das für verfassungswidrig.

Warum?

Weil unsere Verfassung Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt. Außerdem halte ich die Handhabung der Vorschrift für unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Denn es wird unterschieden, woher die Leute kommen und aus welchem Grund sie kommen. Wenn jemand mit einem Geldkoffer in die Bundesrepublik einreist und hier investieren will, braucht er den Nachweis nicht zu führen. Wer aus Japan im Rahmen des Familiennachzugs kommen will, braucht die Sprachkenntnisse auch nicht. Wer aus afrikanischen Ländern oder der Türkei kommt, braucht sie. Da wird aus meiner Sicht eine Zugangshürde aufgebaut, nicht aber das Sprachproblem gelöst, das wir tatsächlich mit Migrantinnen und Migranten haben.

Seit Jahren debattieren wir über die „Importbräute“, die zu Zehntausenden hierhergekommen sind. Tun Sie der Frau Ihres Mandanten einen Gefallen, wenn Sie ihr helfen, nach Berlin zu kommen? Die Frau wird hier in völliger Abhängigkeit von ihrem Mann zurechtkommen müssen.

Wir haben ein Problem, das man nicht negieren darf. Ich halte aber das Mittel, das hier angewendet wird, für falsch. Meinem Mandanten und seiner Frau geht es darum, zusammenzuleben. Mein Mandant ist im Übrigen Deutscher…

Mit Migrationshintergrund?

Er ist Deutscher – mit Migrationshintergrund, aber er ist Deutscher. Jedenfalls lösen wir das Problem auf diese Weise nicht. Wenn wir vor der Einreise ein Zertifikat des Goethe-Instituts mit dem Nachweis eines Deutschkurses verlangen, garantiert das nicht, dass der oder die Einreisende hier die deutsche Sprache weiter praktiziert. Ich fürchte, dieser Deutschnachweis soll nur dafür herhalten, die Integrationskurse hier weiter abzubauen. Wir müssen hier dafür sorgen, dass die, die zu uns kommen, in der Bundesrepublik Deutsch lernen. Meine Mandantin hat in Ostanatolien gar keine Möglichkeit, Deutsch zu lernen.

Ist es zu viel verlangt, dass sie für drei Monate nach Istanbul zieht, dort Deutsch lernt und zeigt, dass sie sich für das Land interessiert, in dem sie leben will?

Dafür würde sie sogar nach Berlin ziehen. Es wäre möglich und auch zumutbar, dass die Frau in der Türkei Deutsch lernt. Aber es widerspricht unserer Verfassung und bringt nichts. Ich glaube nicht, dass diese Vorschrift aus dem Zuwanderungsgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben wird.

Volker Ratzmann (47) ist Vorsitzender der Grünen-Fraktion im

Abgeordnetenhaus. Der Anwalt ist auch innenpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Mit ihm sprach Werner van Bebber

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