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Berlin: DGB: Viele Lehrlinge werden ausgebeutet statt ausgebildet

Jeder dritte Azubi wird zu berufsfremden Arbeiten eingesetzt, so eine Umfrage

Von Sabine Beikler

Ein Jahr lang hat er Bewerbungen über Bewerbungen geschrieben. Dann endlich hat es geklappt: Seit fünf Monaten macht der 18-jährige Berliner Stefan M. eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann. Wochentags arbeitet der junge Mann im Büro der Firma. Am Wochenende aber muss er auf Geheiß seines Chefs auf dem Betriebsgelände Wache schieben. Mit seiner Ausbildung hat diese Arbeit nichts zu tun. Ein Einzelfall?

Mehr als 30 Prozent aller Berliner und 25 Prozent aller Brandenburger Auszubildenden werden zu berufsfremden Tätigkeiten herangezogen. Das ergab eine Befragung von 2500 Jugendlichen an Berufsschulen, die die DGB-Jugend in diesem Jahr durchgeführt hatte. „Das Ergebnis ist skandalös. Die oft schlechte Qualität der Ausbildung ist ein flächendeckendes Problem“, sagte der stellvertretende DGB-Landeschef Bernd Rissmann am Donnerstag bei der Vorstellung des „DGB-Ausbildungsreports 2005“.

Viele der rund 109 000 Azubis in Berlin und Brandenburg klagen über nicht vergütete Überstunden oder über Wochenarbeitszeiten weit über 40 Stunden. Mit der Ausbildungsqualität sind die Berufsanfänger auch nicht zufrieden: Rund 35 Prozent der Ausbilder im Brandenburger und 25 Prozent im Berliner Einzelhandel oder Dienstleistungsgewerbe würden keine branchenspezifischen Kenntnisse vermitteln. „Es gibt aber Ausbildungsrahmenverträge, die jeder Azubi einsehen kann“, sagte DGB–Jugendbildungsreferent Alexander Fischer.

Dass laut Umfrage vor allem im Kfz-Gewerbe oder im Hotel- und Gaststättenbereich Auszubildende für Handlangerdienste herangezogen werden, können weder Manfred Löbel von der Handwerkskammer noch Gisela Willmes, Personalchefin des Ritz Carlton und Sprecherin der Personalleiter aller Fünf-Sterne-Hotels in Berlin, bestätigen. „Wenn man ein Auto putzen muss, gehört das auch zur Ausbildung dazu“, sagt Löbel. Für Gisela Willmes gilt: „Das richtige Putzen muss man lernen, auch wenn man eine Ausbildung zur Restaurant- oder Hotelfachfrau macht.“ Viele Jugendliche hätten vor Beginn der Ausbildung auch keine Ahnung vom Berufsbild, weiß Bildungsexpertin Anja Nußbaum von der Industrie- und Handelskammer (IHK).

Um Qualitätsstandards zu kontrollieren, überprüft die IHK die Ausbilder: „Wir schauen uns Lebenslauf, Vorkenntnisse und Eignung genau an“, sagt Nußbaum. Damit mehr Betriebe ausbilden, ist bundesweit bis Ende 2007 die Ausbildungseignungsprüfung aufgehoben worden. Das kritisiert die Kammer: „Dadurch können auch ungeeignete Leute ausbilden. In handwerklichen Berufen braucht man dafür die Meisterprüfung“ sagt Löbel. Wer Beschwerden über seine Ausbildung hat, kann sich an IHK, DGB und Kammer wenden – auch anonym.

Weitere Infos sind bei der DGB-Jugend unter 030-219 685 53 erhältlich. Im Internet unter www.berufsschultour.de oder www.dr-azubi.de

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