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Berlin: Dichterhaus mit Seeblick

In Buckow lebten Brecht und Weigel im Sommer. Heute ist ihr Haus Museum – still gelegen wie früher.

Ein leidenschaftlicher Radfahrer war Bertolt Brecht wohl nicht, ein großer Spaziergänger ebenso wenig. Zumindest finden sich in den Archiven keine Beweise für das Gegenteil. Im Unterschied zu radelnden Genies wie Albert Einstein, Hans Fallada, Egon Erwin Kisch oder Mark Twain genügten dem 1956 verstorbenen Dichter als Inspiration der Blick aus dem Fenster seines Arbeitszimmers, ein Gang durch den Garten oder der Blick über den See. Nur ruhig musste es in jedem Fall sein. Er schuf sich mit seinem Arbeitszimmer und dem kleinen Platz vor dem Haus eine abgeschottete Welt, für die er sogar eine Hausordnung erließ. „In Erwägung, dass beim Schreiben von Stücken und dem Lesen von Kriminalromanen jede menschliche Stimme im Haus oder vor dem Haus eine willkommene Ausrede für eine Unterbrechung bildet, habe ich beschlossen, mir eine Sphäre der Isolierung zu schaffen“, schrieb Brecht. Allerdings, so fügte er hinzu, seien Ausnahmen durchaus möglich.

Wie er arbeitete und lebte, kann man sich in Buckow in der Märkischen Schweiz ansehen. Die vierte Radtour führt direkt zum Refugium von Bertolt Brecht und seiner Frau Helene Weigel. Auf dem Weg dorthin und bei der Rundfahrt durch das Städtchen und seine Umgebung fällt es nicht schwer, sich in die hügelige, seen- und waldreiche Gegend zu verlieben. Was ist dem Einsiedler Brecht nicht alles entgangen!

„Brecht arbeitete in seinem Gärtnerhaus sehr viel, während im benachbarten Atelierhaus oft lange Gespräche mit Schauspielstudenten oder Diskussionen und Lesungen stattfanden“, erzählt die Leiterin des Brecht-Weigel-Hauses, Magret Brademann. „Da blieb wenig Zeit für andere Dinge, zumal er regelmäßig zu Proben und Theateraufführungen nach Berlin musste.“

Fast fünf Jahre lebte das Dichterpaar in dem Ort östlich Berlins, der sich heute zunehmend als Brechtstadt versteht. Im Februar 1952 war Bertolt Brecht auf das „schöne Grundstück am Wasser des Schermützelsees unter alten großen Bäumen“ gestoßen und hatte die beiden Häuser auf dem Areal schließlich erworben. Bis heute trägt das größere und mittlerweile als Gedenk- und Veranstaltungsstätte öffentlich zugängliche Haus den etwas sonderbar klingenden Namen „Eiserne Villa“. Die Erklärung ist einfach: Der Bildhauer Georg Roch hatte sich das großzügige Atelierhaus bauen und dabei die großen Fenster für die Zeiten seiner Abwesenheit mit eisernen Gittern schützen lassen.

Helene Weigel lebte hier noch bis zu ihrem Tod 1977 und hatte in den Jahren zuvor die Eröffnung eines Literaturhauses auf den Weg gebracht. So können Besucher heute durch das helle Atelier mit den Originalmöbeln und die anderen Räume streifen. Im Bootshaus steht unter anderen Requisiten der Planwagen aus „Mutter Courage und ihre Kinder“, den die Schauspielerin Weigel in mehr als 400 Aufführungen auf Bühnen in Berlin und in aller Welt gezogen hatte.

Im Garten stößt man auf die „Buckower Elegien“, in denen Brecht auf den Arbeiteraufstand am 17. Juni 1953 auf seine dichterische Weise reagiert hat. Die Kritik des Schriftstellers an den Machthabern ist nachzulesen – in Messingtafeln gegossen.

Ganz nah kommen Interessierte dem Künstlerpaar auf einem geführten Rundgang durch das Haus und sein Umfeld an jedem dritten Sonntag. Ab 12.30 Uhr setzt sich die Gruppe am Brecht-Weigel-Haus in Bewegung, und auch Geschichten über die erst im vergangenen Dezember verstorbene Schauspielerin Käthe Reichel fehlen nicht. Brecht hatte sie nicht nur als „eine der begabtesten Schauspielerinnen des Berliner Ensembles“ bezeichnet, sondern ihr auch in der Nähe der „Eisernen Villa“ ein Haus verschafft. Für ihn war sie die letzte Liebe, für die 1926 geborene Käthe Reichel die erste. Über die gehörten Anekdoten lässt sich am Ende noch beim „Brechtmenü“ plaudern – im Hotel „Vier Jahreszeiten“.

Mehr Informationen über Führungen unter www.brechtweigelhaus.de

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