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Berlin: Die ausgebremsten Kavaliere

Die Fahrschule „Verkehr human“ bringt den Senats-Chauffeuren einen energiesparenden Fahrstil bei

„So fährt doch keiner!“ Wolfgang Schwarzkopf ist irritiert. Seit 38 Jahren chauffiert er Politiker durch die Stadt, erst beim Ost-Berliner Magistrat, seit der Wende beim Senat, zurzeit mit Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) auf dem Rücksitz. Und jetzt, wenige Jahre vor der Rente, ruft dieser Fahrlehrer schon 300 Meter vor der nächsten Ampel aus der zweiten Reihe: „Gang raus, rollen lassen!“ Schwarzkopf gibt noch zweimal unwillkürlich im Leerlauf Gas, weil ihm das lange Rollen nicht geheuer ist. Bremsen muss er an der roten Ampel trotzdem noch – und zwar von Tempo 35 bis auf null. Der Schwung hat also dicke gereicht.

Dass der Schwung eigentlich immer reicht, ist eine Botschaft des Spritsparkurses, zu dem Schwarzkopf hierher nach Kreuzberg geschickt wurde, während seine Chefin einen freien Tag hat. Die Aktion gehört zum Projekt „Sauberer Fuhrpark“ der Berliner Energieagentur. Fünf Senatsfahrer waren schon hier in Lothar Tauberts Kreuzberger Fahrschule „Verkehr human“.

Dort hatte der Tag mit einer Theoriestunde begonnen. Taubert hat schon vor 20 Jahren mit einem Golf voller Computer getestet, wie man möglichst wenig Sprit verbraucht. Jetzt erklärt er es Berufskraftfahrern von Speditionen – und eben auch vom Senat. Er hat Grafiken an die Wand projiziert, auf denen beispielsweise der Lärmpegel eines mit 4000 Umdrehungen vorbeifahrenden Autos mit dem eines mit 2000 Umdrehungen fahrenden verglichen wurde. Bei Tempo 50 entspricht das etwa dem Unterschied zwischen zweitem und viertem Gang. Das Auto mit dem hochgedrehten Motor ist so laut wie 32 sanft gefahrene, sagt Taubert. Und fügt hinzu, dass man bei Tempo 50 im 5. Gang noch mehr Sprit spart und Lärm vermeidet. Auf der nächsten Folie steht „Kluge haben Zeit“.

Politiker haben selten Zeit. Das weiß auch Tauberts zweiter Schüler an diesem Tag aus jahrzehntelanger Erfahrung: Wilfried Hohenstein chauffiert sonst Lompschers Staatssekretär Benjamin Hoff durch die Stadt. Auch mit ihm hat Taubert eine Proberunde im Fahrschulwagen gedreht – und war beeindruckt, wie konsequent Hohenstein bei Tempo 25 in den 3. Gang geschaltet und schon weit vor roten Ampeln das Gas weggenommen hat. „Hat Spaß gemacht, mit Ihnen zu fahren“, hat er nach der Tour zu Hauenstein gesagt. Der berichtet, dass die Anzeige für den Momentanverbrauch im Dienst-Audi seinen Ehrgeiz zum Sparen geweckt hat. Aber letztlich brauche er mit dem großen Diesel doch zwischen neun und 15 Liter auf 100 Kilometer.

Schwarzkopf, der auch so eine Anzeige im Dienstwagen hat, kommt mit fünf bis sieben Litern Benzin hin, wie er erzählt. Vor ein paar Monaten musste er den großen Mercedes gegen einen bescheideneren Hybrid-Toyota eintauschen, der beim Bremsen neben sinnloser Reibungswärme auch Strom für einen zusätzlichen Elektromotor erzeugt. „Aber jetzt ist es wenigstens ein schwarzer“, sagt der Chauffeur. „Mit dem silbrigen, den ich zuerst hatte, haben sie mich dauernd vom Parkplatz gejagt.“ Jetzt ist die Prestigefrage geklärt und nur die Sorge vor unaufmerksamen Fußgängern geblieben, die das elektrisch und deshalb fast geräuschlos rollende Auto oft nicht bemerken.

Taubert sagt, es sei eigentlich absurd, was die Menschen sich von Autofahrern gefallen ließen: Kavalierstarts mitten in der Nacht. „Wenn ein Mensch vor der Haustür solchen Lärm machen würde, riefe man die Polizei.“ Und beim Spritverbrauch könne man durch höheren Reifendruck und gute Motorwartung zusammen längst nicht so viel Sprit sparen wie durch vernünftige Fahrweise: 50 Prozent mache die aus, sagt Taubert. „Unsere größte Ressource ist die Energieeinsparung“, gibt er den Senatsfahrern mit auf den Weg. Und: „Im Vergleich zu den Speditionsfahrern sind Sie die Creme de la Creme.“ Die so Gelobten bleiben skeptisch. „Wenn ich so fahren würde wie heute, würde mein Fahrgast gleich die U-Bahn nehmen“, orakelt Schwarzkopf. Dabei hat er auf der Testfahrt keine Sekunde eingebüßt, nur eben kürzer an roten Ampeln gewartet. Auch sein Kollege Hohenstein resümiert: „Meistens zählt eher, ob man eine Grünphase noch schafft. Da kommt es nicht auf Sprit an, sondern auf Zeit.“ Stefan Jacobs

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