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Da ist Dampf drin. Der Streit um Überstunden betrifft gut 2500 der rund 3600 Feuerwehrangehörigen. Foto: dpa

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Berlin: Die Feuerwehr kommt zu spät

Jahrelang wird über Überstunden und deren Bezahlung gestritten, dann landet der Fall vor Gericht. Und plötzlich ist von Verjährung die Rede.

Berlins Feuerwehrleute sind rund um die Uhr im Einsatz. Doch die Forderungen für Überstunden, die ihnen zwischen 2001 und 2003 unrechtmäßig abverlangt wurden, sind verjährt. Das hat am Freitag das Berliner Verwaltungsgericht in mehreren Verfahren bestätigt. Nach den Urteilen wurde durch die Bestätigung der Anträge durch die Landesbranddirektion die Verjährungsfrist nicht aufgehoben.

Seit 1993 schreibt eine EU-Arbeitszeitrichtlinie eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vor. Bei den Feuerwehren in Deutschland hielt man sich nicht daran. Dort wurden in den 24-Stunden-Schichten Dienst- und Bereitschaftszeiten unterschiedlich gewichtet, so dass die Einsatzkräfte tatsächlich auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von 55 Stunden kamen, von denen aber nur 48 Stunden gewertet wurden.

Ab 2001 beanstandete der Europäische Gerichtshof diese Praxis. Doch erst seit 2008 gilt für Polizei und Feuerwehr in Berlin eine neue Arbeitszeitverordnung mit einer echten 48-Stunden-Regelung. Dennoch gilt die Rüge der Europa- Richter als Stichtag für Ersatzansprüche. So haben zahlreiche Feuerwehrleute bereits im Jahr 2001 Anträge auf Mehrarbeitsvergütung gestellt. Die Behörde bestätigte den Eingang jeweils mit dem Hinweis, dass man die laufenden Gerichtsverfahren abwarten und sich „schnellstmöglich“ wieder melden werde. Dann geschah jahrelang nichts. Umso größer war die Ernüchterung bei den Betroffenen, als die Landesbranddirektion nach Jahren reagierte. In den erteilten Bescheiden wurden die Forderungen für 2001 bis 2003 als verjährt abgewiesen. Dagegen zogen zahlreiche von der Gewerkschaft der Polizei unterstützte Feuerwehrangehörige vor Gericht.

In den gestern verhandelten Verfahren wies das Verwaltungsgericht die zusätzlichen Ansprüche der Beamten zurück. Die Antragsteller hätten nicht darauf vertrauen können, dass die Behörde sich später nicht auf die Verjährung beruft. Spätestens 2004 hätten sie Widerspruch einlegen oder Klage erheben müssen.

Kein Anspruch besteht aus Sicht des Gerichts auch auf eine zusätzliche Vergütung für die Differenz aus den im EU- Recht verankerten 48 Wochenstunden und der allgemeinen beamtenrechtlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Der Anspruch auf Entschädigungszahlungen beruhe ausschließlich auf dem Europa- Recht, urteilten die Richter in einem weiteren Verfahren.

Im letzten Komplex des mehr als zehnstündigen Verhandlungsmarathons von insgesamt 19 Einzelfällen wird das Gericht seine Entscheidung voraussichtlich am Montag verkünden. Nach einem befristeten Gesetz zahlte das Land Berlin vielen Feuerwehrleuten für das Jahr 2007 und den Monat Januar des Folgejahres eine pauschale Entschädigung von 20 Euro pro 24-stündige Dienstschicht. Nach dem Gesetzestext sind damit für diesen Zeitraum alle weiteren Ansprüche ausgeschlossen – gegenüber den späteren Zahlungen nach der Mehrarbeitsvergütung für die betroffenen Beamten ein Nachteil von mehreren tausend Euro. Die Polizeigewerkschaft GdP hält den entsprechenden Passus im Gesetz für nicht vereinbar mit dem europäischen Recht.

Die Überstundenproblematik betrifft gut 2500 der rund 3600 Berliner Feuerwehrangehörigen. Im Zuge der Gleichbehandlung hat der Senat inzwischen beschlossen, dass auch diejenigen, die selbst keinen Antrag gestellt haben, für die ab 2005 geleisteten Überstunden Nachzahlungen erhalten. GdP-Rechtsanwalt Joachim Tetzner schätzt die Gesamtbelastung an der Landeskasse für die unzulässig abverlangte Mehrarbeit auf mindestens rund 37 Millionen Euro.

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