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Berlin: Die frühe Wärme bringt die Mücken ins Schwärmen

Weil es schnell sommerlich wurde, gibt es jetzt eine Insektenplage Biologen warnen: Mitte Mai schwärmen noch mehr Stechmücken aus

Ein leises Summen, ein kleiner Stich – und dann eine tagelang juckende Beule: Viele Berliner und Brandenburger klagen jetzt über eine Mückenplage. Denn derzeit schwirren jene Arten, die als ausgewachsene Tiere in Kellern und Ruinen, hinter Ritzen und Borken überwintert haben, zusammen in Schwärmen aus, weiß Deutschlands Mückenexperte Werner Mohrig. Das ist untypisch – sonst fliegen sie peu à peu aus ihren Winterquartieren. In etwa einer Woche kommt es aber noch schlimmer: Dann schlüpfen nämlich jene Mückenarten, deren Eier in Wald, Wiese und Tümpel überwintert haben. Wegen des langen Winters schwärmen diese Mücken jetzt etwa zwei Wochen später aus. Weil es aber viel Schnee gab und die Tiere Feuchtigkeit mögen, rechnen die Biologen nun mit mehr Insekten als sonst.

Kein Grilltreffen oder Golfausflug in und um Berlin ohne Mückenschutz: „Die Mücken fliegen uns gerade rigoros an, weil sie über Winter total ausgehungert sind“, sagt Mohrig, der zu Stechmücken promovierte, ein Buch über Deutschlands mehr als 40 Stechmückenarten schrieb und gern als Experte bei Rekultivierung von Flussläufen gehört wird. Der Eindruck, dass es derzeit eine ungewöhnlich starke Mückenplage gibt, erklärt sich so: Üblicherweise steigen die Temperaturen langsam an, und so fliegen auch Mücken nacheinander aus ihren Winterquartieren. Diesmal aber wurde es innerhalb weniger Tage sommerlich warm, und so schwärmen die ersten Populationen der winterharten Flieger vereint aus – das sind vor allem drei Stechmückenarten.

Da wäre die „Culex pipiens“, deren Larve mit Vorliebe in Regentonnen, Schlossteichen und Gartenteichen ihren Atemrüssel an der Wasseroberfläche ausfährt. Seen sind Mücken zu wellig, da würden sie Wasser mit einsaugen und ertrinken. Die zweite Hausmückenart, die schon fliegt, heißt „Culiseta annulata“, ist etwas größer und von Fachleuten an ihren weiß geringelten Beinen zu erkennen. „Die fliegt auch gern in Wohnungen, weil sie den Menschen förmlich riecht“, sagt Werner Mohrig. Übers Jahr legt jedes einzelne Tier der durchschnittlich bis zu drei Mückengenerationen im Jahr etwa in Entwässerungsgräben gut 200 Eier ab. Der dritte Blutsauger, der uns gerade anfällt, wird „Anopheles maculipennis“ genannt. Er überwintert mit den körpereigenen „Frostschutzmitteln“ in Ritzen, Kellern und Ställen nahe Gräben und Schlossteichen. Dass die stechenden Viecher nun sogar tagsüber saugen, erklärt der Fachmann damit, dass es ihnen in der Dämmerung noch zu frisch sei.

Damit aber nicht genug. Ab dem 15. Mai, so die Schätzung des Mückenfachmanns, machen sich noch weit mehr Tiere über den Menschen her: die Vertreter der Stechmückengattung „Aedes“, deren Eier vor allem an Teichen und in Tümpeln an Wald und Wiese überwintern. „Mitte Mai wird es den Larven warm genug sein, dann kommt der nächste Mückenschwarm auf uns zu“, sagt Mohrig.

Glück hat er, der Mückenfachmann, der auf Rügen lebt, wo es kühler ist und windiger und sich die Entwicklung verzögert. Was uns Berlinern hilft? „Einzig Mückenschutzmittel“, sagt der 68-jährige Professor. Von den Hausmitteln tauge nur Knoblauch – da machen hiesige Stech- und Hausmücken schnell ’ne Fliege.

Annette Kögel

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