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Berlin: Die Gedenktafeln entfernen?

Wer sagt, die Fototafeln sollen weg, der ist natürlich gleich der Schuft. Der hat keine Ahnung von der Berliner Nachkriegsgeschichte, der ignoriert das Unrecht in der DDR oder sympathisiert klammheimlich mit der Niederschlagung des 17.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Wer sagt, die Fototafeln sollen weg, der ist natürlich gleich der Schuft. Der hat keine Ahnung von der Berliner Nachkriegsgeschichte, der ignoriert das Unrecht in der DDR oder sympathisiert klammheimlich mit der Niederschlagung des 17. Juni 1953. Aber mit solchen dummen Argumenten lassen sich heutzutage nicht einmal mehr Fliegen totschlagen. Niemand, selbst nicht mal die PDS, wehrt sich gegen ein würdiges und hoffentlich aufrührendes Gedenken an jenen Aufstand, der schon vor 50 Jahren zeigte, warum das SED-Regime nicht überlebensfähig sein konnte. Die historische Erfahrung von 1953 soll erlebbar bleiben; aber die Art und Weise, wie das geschieht, kann nicht von einzelnen Personen gesteuert werden. Denkmale und Fototafeln so aufzustellen, dass sie allgemein Wirkung entfalten, ist eine öffentliche Angelegenheit. Selbst die Witwe des Gründers des Berliner Mauermuseums hat kein Monopol auf die Erinnerung an die schwersten Zeiten Berlins. Auch für sie gelten Absprachen und Verträge – und die sprechen gegen den Standort der Fotos. Vielleicht hätte man vernünftig darüber reden können. Aber es sieht ganz so aus, als gehe es Frau Hildebrandt weniger um die gute Sache als um den Versuch, ihrem selbstherrlichen Eigensinn ein Denkmal zu setzen. Das aber doch, bitte schön, nicht an den Wänden der Berliner Ministerialbürokratie.

Ein Kunstwerk sind die Fototafeln nicht, aber sie sind authentisch. Am damaligen Haus der Ministerien der DDR trafen sich die Streikenden am 17. Juni 1953, dort stellten sie ihre Forderungen, dort manifestierte sich ihre Sehnsucht nach Gerechtigkeit und Demokratie. Das muss sichtbar sein an diesem Ort, ist es aber nicht. Das vorhandene Denkmal kann das Gedenken nur begrenzt leisten; vorbeifahrende Autofahrer oder flüchtige Beobachter könnten es eher für ein Planschbecken halten und übersehen, während ihr Blick von der in Mosaik gefassten DDR-Idylle an der Hauswand des Bundesfinanzministeriums gefangen wird. Kurz: Die Absicht war gut, doch das Denkmal, das nach jahrelangen Diskussionen und einem Wettbewerb entstand, ist missglückt.

Der Ärger des Bundesvermögensamtes, das sich von der Arbeitsgemeinschaft 13. August ausgetrickst fühlt, ist nachvollziehbar; die juristische Position eindeutig. Aber was ist das für ein Argument, ein Nazi-Bau, der heute selber Denkmal ist, werde beschädigt durch die Bilder des Arbeiteraufstands. Der Gedenkort wird vielmehr erst zum solchen durch die vorhandenen Fototafeln. Sie setzen den Kontrapunkt zum bunten Mosaik-Paradies der Arbeiterklasse – man könnte es für eine bewusst geplante Installation halten. Was sollte ein Denkmal mehr erreichen können? Gerd Nowakowski

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