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Berlin: Die gekaufte Demo

Nicht nur beim jüngsten Protest gegen die Gesundheitsreform soll Teilnehmern Geld gezahlt worden sein

Bei Demonstrationen im Gesundheitswesen sind bezahlte „Teilnehmer“ offenbar keine Ausnahme. Nachdem am Wochenende bekannt wurde, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) für eine Kundgebung vor dem Reichstag 150 Studenten angeheuert hatte, meldete sich jetzt ein junger Mann beim Tagesspiegel und berichtete, dass er bereits bei der großen Ärztedemo am 22. September gegen Geld ein T-Shirt mit der Aufschrift „Kassenpatient“ getragen habe. Für den dreistündigen Einsatz habe er 100 Euro bekommen. Bei der vom Ärzteverband „Hartmannbund“ organisierten Demo auf dem Gendarmenmarkt hatten mehrere tausend Menschen gegen die Gesundheitsreform protestiert. Er fühle sich als „bezahlter Claqueur“, sagte der „Demonstrant“ dem Tagesspiegel. In seiner Gruppe hätten fünf weitere Personen die bereitgestellten Hemden getragen. Wie viele Personen auf der Demo bezahlt worden seien, könne er nicht sagen.

Der Pressesprecher des Hartmannbundes, Michael Rauscher, dementierte, dass Demonstranten bezahlt worden seien. „Dafür hätten wir gar kein Geld“, sagte Rauscher. Es sei lediglich eine Kreuzberger Agentur beauftragt worden, die Bühne und Lautsprecher aufgebaut habe. Die in Mitte ansässige Werbeagentur, die dem Demonstranten nach eigenen Angaben 100 Euro gegen Quittung zahlte, teilte nur mit, dass diese Zahlung nicht bekannt sei. Ob die Agentur auch beim Ärzteprotest im September tätig war, wollte sie nicht sagen.

Der Sprecher der KBV, Roland Stahl, verteidigte den Einsatz der Studenten im Dezember. Dabei hatten 150 Männer Garderobenstangen getragen, an denen 4500 Arztkittel hingen. So sollte die Abwanderung von jungen Ärzten ins Ausland angeprangert werden. Eine Hostessenagentur hatte dazu ein Jobangebot veröffentlicht. Während Stahl von einer „PR-Kampagne mit Eventcharakter“ sprach, hatte die KBV die Aktion bei der Versammlungsbehörde als Kundgebung angemeldet – mit 200 erwarteten Teilnehmern. Dies bestätigte das Polizeipräsidium. Nach Angaben des Chefjustiziars der Polizei, Oliver Tölle, sei es „egal, wie ein Veranstalter seine Leute motiviert“. „Wir dürfen auch keine Inhaltskontrolle machen“, das Grundgesetz fasse das Demonstrationsrecht sehr weit. Erst wenn der Kommerz eindeutig überwiege, sei es möglich, eine Demonstration zu verbieten – so hatte 2001 das Bundesverfassungsgericht der Loveparade die Zulassung als Demo verweigert. Folge: Der Veranstalter muss zahlen. Ha

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