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Berlin: „Die Geschichte wird es Ihnen danken“

Architekt Eisenman feiert mit Arbeitern und Politikern Mahnmal-Richtfest

Normalerweise schleudert er das Glas im hohen Bogen hinter sich auf den Betonboden. Auf dass es richtig splittert. Aber an diesem Montag, beim Richtfest für das Holocaust-Mahnmal, stehen da all die Prominenten: Architekt Peter Eisenman, Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer. Und dann auch noch so viele Journalisten. Reiner Duda schaute in zig Kameras. Der Polier der Baufirma BSS, braun gebrannt, in Zimmermanns-Kluft, schwarze Marken-Brille, nimmt also das mit Rotwein gefüllte Saftglas, trinkt daraus und wirft es zaghaft neben sich auf den Boden. Zersplittert ist es trotzdem – im Rohbau des unterirdischen Dokumentationszentrums.

Zuvor hatte Duda stellvertretend für die 80 Bauleute gereimt: „Generationen von Menschen diese Stätte gestalten, um Besinnung, Kraft und Information zu erhalten“ – „Für den Schweiß, den wir hier ließen, soll nachher kräftig Bier fließen.“ Da kommt die Dolmetscherin kaum mit. Macht nichts, Duda schenkt die Reime Eisenman.

Der Architekt wiederum bedankt sich mit einer Lobrede an die Arbeiter: „Die Geschichte wird es Ihnen danken.“ Die Qualität „Ihrer Hände Arbeit“ werde fortleben, wenn längst vergessen sei, was er, der Architekt, sich dabei gedacht habe. Dass es kein Denkmal im üblichen Sinne wird mit expliziten Symbolen; dass es um die Erfahrung geht, wenn man durch die Stelen läuft. Stadtentwicklungssenatorin Junge- Reyer will nicht so richtig feiern – „darf man das denn angesichts des Holocaust?“

Ansonsten überschlagen sich alle vor Bewunderung für die Bauleistung. Die Bauarbeiter, die zwischen den anderen Gästen mit ihren gelben, blauen und weißen Overalls herausstechen, genießen mit andächtigem Schweigen. Gefragt, was für ihn das Besondere am Richtfest sei, antwortet Rainer Müller von der Firma Geithner: überhaupt dabei zu sein. Meist arbeiten sie schon auf der nächsten Baustelle, wenn die Richtkrone aufgezogen wird. So einen Rummel habe man nicht alle Tage; Eisenman hätten sie auch noch nie gesehen. Da tun die Worte gut, besonders den Vermessern, die oft zu hören bekommen: „Das kann doch nicht sein, dass hier alles so schief steht.“

Oben auf dem Gelände schüttelt Eisenman noch Alexander Brenner von der Jüdischen Gemeinde die Hand und entschuldigt sich für seine Bemerkung im Februar. Damals hatte Eisenman bei einer Kuratoriumssitzung eine Geschichte seines New Yorker Zahnarztes widergegeben, wonach viele Zahnfüllungen von Degussa kämen, deren Tochterfirma das in Auschwitz verwendete Gas Zyklon B hergestellt hatte. Danach hatte es einen Streit darüber gegeben, dass Eisenman einen bösen Witz gemacht habe. Denn Degussa liefert das Graffiti-Schutzmittel für das Mahnmal.

Er nehme jedesmal etwas mit von der Baustelle, sagt Eisenman, bevor er ins Zelt zum Feiern verschwindet. Es sei wie mit einem guten Wein. Da schmeckten das zweite und das dritte Glas auch noch besser als das erste.

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