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Berlin: Die große Kunst des Aufwärmens

Wieder kamen Tausende zur Langen Nacht der Museen. Und wussten, sich gegen die Eiseskälte zu helfen

Wer kalte Füße hat, sollte sie bewegen. Am besten im Takt: „Eins, zwei, drei. Hacke, Hacke, Seit“, gibt der Salsa-Lehrer das Tempo vor. Im „Instituto Cervantes“ ist die Tanzfläche schon am frühen Abend gefüllt. Das spanische Kulturinstitut in der Rosenstraße nimmt zum ersten Mal an der Langen Nacht der Museen teil – und kann sich gleich über 800 Besucher freuen. „Die tanzen wohl lieber, als dass sie anderswo in der Kälte Schlange stehen“, sagt Mitarbeiterin Sabine Hollands.

Aber auch die anderen Häuser können trotz Außentemperaturen von minus zehn Grad nicht über zu wenig Besucher klagen. Publikumsmagnet ist wie in den Vorjahren die Museumsinsel: Mehr als 11 000 wollen den Berliner Dom sehen, 7000 das Alte Museum, 6000 die Alte Nationalgalerie. Schlangen bilden sich nicht nur vor den großen Museen, sondern auch vor den vielen Außenständen, an denen es Suppe, Glühwein und Kakao gibt. Besonders vor denen mit Heizpilzen. Insgesamt nehmen 120 000 Besucher an der Museumsnacht teil – Mehrfachzählungen inklusive. Wie viele Häuser ein Gast durchschnittlich aufgesucht hat, müssen die Veranstalter erst noch ausrechnen. Der Durchschnitt dürfte aber deutlich unter den Erfahrungswerten liegen, glaubt Gabriele Miketta vom Museumspädagogischen Dienst. „Wahrscheinlich sind die Leute wegen der Minusgrade lieber möglichst lange an einem Ort geblieben.“

Manche sogar den ganzen Abend: Das Russische Haus der Wissenschaft und Kultur in der Friedrichstraße zeigt die russische Verfilmung von Tolstois „Krieg und Frieden“ – alle vier Teile hintereinander. 180 Menschen haben es sich im hauseigenen Kinosaal gemütlich gemacht und bewegen sich nicht vom Fleck. „Manche fragen mich, warum wir zwischen den Filmen überhaupt kurze Pausen einlegen“, erzählt ein Mitarbeiter. Ansonsten zieht es die Menschenmassen überall da hin, wo es warm ist. Zum Beispiel in die beheizte Hohenzollerngruft im Berliner Dom. Oder auf die Orgelempore der St. Marienkirche: Da wird Kindern gezeigt, was ein Organist beim Spiel alles beachten muss. Jedes Kind darf ein Register ziehen, und weil warme Luft bekanntlich nach oben steigt, können die Besucher sogar ihre Jacken ausziehen. Entspannen dürfen sich auch die Besucher des Medizinhistorischen Museums auf dem Charité-Gelände in der Schumannstraße. Hier wird die Ausstellung „Wunderheilung in der Antike“ angekündigt, und passend zum Thema dürfen die Gäste ein „christliches wie heidnisches Reinigungsritual“ durchführen: ein warmes Fußbad nehmen. Anschließend werden ihnen noch die Füße abgetrocknet – von Christoph Markschies persönlich, dem Präsidenten der Humboldt-Uni. Der kann sich beim Anfassen fremder Füße das Lachen nicht verkneifen: „Das kommt, weil ich verlegen bin. Das nennt man wohl eine klassische Übersprunghandlung.“ Was aber nicht bedeutet, dass Markschies seine Aufgabe nicht ernst nimmt: „Ganz wichtig sind die Zehen. Und natürlich die Zwischenräume!“ Leider müssen viele Besucherinnen das Fußbad-Angebot ausschlagen, weil sie ihre Strumpfhosen nicht ausziehen wollen. Weitestgehend nackt ist dagegen die junge Frau, die im Roten Rathaus vor einem Edvard-Munch-Gemälde steht und sich überpinseln lässt. Die Aktion ist Teil einer Ausstellung der norwegischen Hauptstadt Oslo. Der Regierende Bürgermeister ist auch da, schließlich hat er am frühen Abend auf dem Rathausvorplatz den offiziellen Startschuss zur Langen Nacht gegeben. Mit sichtlich geröteter Nase und voller Stolz, dass seine Berliner so zahlreich der Kälte getrotzt haben: „Großes Kompliment dafür“. Trotzdem zog sich Wowereit nach dem Startsignal schnell ins Rathausinnere zurück. Vielleicht auch deshalb, weil die frierende Menschenmasse auf das Rathaustor zustürmte. Auch Gabriele Miketta vom Museumspädagogischen Dienst verteilte viel Lob: „Die Berliner lassen sich nicht so leicht ins Bockshorn jagen.“ Sie selbst verbrachte den ganzen Abend übrigens unter einem Heizpilz am Infostand vorm Roten Rathaus – in Thermounterwäsche und mit Lammfellsohlen in den Schuhen. „Das hat geholfen.“ Trotzdem ist sie froh, dass die nächste Lange Nacht der Museen wieder bei gemäßigten Außentemperaturen stattfindet. Nämlich am 26. August – dann bricht die Lange Nacht bereits zum 20. Mal an.

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