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Berlin: „Die Habgier siegte“

Dreieinhalb Jahre Haft für Lehrer, der eine 99-Jährige um ihr Vermögen brachte

Studienrat Peter H. und seine Ex-Frau wollten das Erbe nicht abwarten, sagte der Staatsanwalt. „Sie haben Geld verwendet, das sie nicht nehmen durften“, hieß es im Urteil. Es waren nach Überzeugung der Richter 524 000 Euro, die von Konten der 99 Jahre alten Charlotte K. veruntreut wurden. Gestern gab es für den 53-jährigen Lehrer eine Strafe, die ihn schlucken ließ. Wegen Untreue verhängte das Amtsgericht dreieinhalb Jahre Gefängnis.

Der Lehrer nahm Plädoyer und Urteil reglos hin – trotz deutlicher Worte. „Die Habgier siegte“, sagte der Ankläger. Als der Verurteilte später aufrecht und mit großem Hut auf dem Kopf den Saal verließ, kündigte seine Anwältin Berufung an. Nach Version von Peter H. wollte die alte Dame das Geld seiner Ex-Frau, einer Augenärztin, vermachen. Die Rentnerin habe ihm erklärt: „Ich gebe viel lieber mit warmen Händen als mit kalten.“ Eine offizielle Schenkung sei vermieden worden, weil die Seniorin angeblich Steuern sparen wollte.

Im Rollstuhl hatte man Charlotte K. in den Gerichtssaal geschoben. Sie nannte Peter H. nur „den Mann von Frau Doktor“, Gutes hatte sie nicht zu berichten. „Ich bin um mein ganzes Geld betrogen worden“, klagte die Zeugin. Sie habe „volles Vertrauen“ zu dem Mann gehabt, schließlich sei er Lehrer, „sogar an einer höheren Schule“. Das Geld habe sie ihrer langjährigen Augenärztin vermachen wollen. „Aber erst nach meinem Tod.“

Weil sie so schlecht sieht, hatte die Neuköllner Rentnerin 2003 jemanden gesucht, der für sie das Finanzielle regeln sollte. Da lagen auf den Konten der früheren Sekretärin, die bescheiden gelebt und geerbt hatte, mehr als eine halbe Million Euro. Sie unterzeichnete in Gegenwart von H. und einem Notar Vollmachten. Diese hätten H. aber nur berechtigt, fremde Angelegenheiten zu regeln, hieß es im Urteil.

Das Vermögen floss ins Haus der inzwischen geschiedenen Eheleute, in eine neue Praxis der Ärztin und in Reisen, zählte der Richter auf. Seine Ex-Frau habe das Geld verballert, hatte H. behauptet. Die 56-Jährige zog es vor, im Prozess zu schweigen. Bei der Polizei hatte sie ihren Ex-Mann belastet. Bald aber könnte sie es sein, die vor Gericht sitzt: Der Staatsanwalt kündigte Ermittlungen gegen die Ärztin an. Kerstin Gehrke

Kerstin Gehrke

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