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Berlin: Die Krise der Großen Koalition: "Wer so tut, als müsse Transparenz geschaffen werden, erweckt den falschen Eindruck"

Mit der Kritik des Landesrechnungshofes am Finanzgebaren der Parlamentsfraktionen, vor allem der CDU-Fraktion, ist die Diskussion um ein altes Thema wieder aufgeflammt. Die Förderung der Fraktionen aus öffentlichen Geldern und die Abgrenzung zur Parteienfinanzierung beschäftigt Politiker und Verfassungsrechtler seit vielen Jahren.

Mit der Kritik des Landesrechnungshofes am Finanzgebaren der Parlamentsfraktionen, vor allem der CDU-Fraktion, ist die Diskussion um ein altes Thema wieder aufgeflammt. Die Förderung der Fraktionen aus öffentlichen Geldern und die Abgrenzung zur Parteienfinanzierung beschäftigt Politiker und Verfassungsrechtler seit vielen Jahren. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass Wahlkampfwerbung und eine indirekte Parteienfinanzierung aus Fraktionsgeldern nicht erlaubt ist.

Im Abgeordnetenhaus gab es zum Beispiel am 4. Juni 1992 eine kontroverse Debatte. Anlass war der Entwurf von Bündnis 90/Die Grünen für ein Fraktionsgesetz des Landes Berlin, dem Entwürfe von CDU und SPD folgten. Nach ausgiebiger parlamentarischer Beratung trat das Fraktionsgesetz am 1. Januar 1994 in Kraft. Wir dokumentieren Auszüge aus den damaligen Redebeiträgen.

Wolfgang Wieland (Grüne) : " ... müssen wir sagen, dass die Politiker- und Parteienverdrossenheit... auch und gerade am Umgang von Politikerinnen und Politikern mit Geld liegt. Deswegen wird es vordringliche Aufgabe sein, hier Klarheit zu schaffen, bevor es zu spät ist. Bevor es weitergeht mit diesem rapiden Ansehensverfall, bevor Politiker auch noch Versicherungsvertreter überholen in der Frage, für wie glaubwürdig und seriös man sie hält.... In der Vergangenheit war es so, dass die Parteien, an der Quelle sitzend, sich bedient haben ...

Sie haben mit Flick-Affäre, mit Spendenwaschanlagen, mit Antes-Skandal, mit Raststättenaffäre, mit dem Hamburger Diätenskandal, zum Schluss mit dem Sonnenstaat des Oskar Lafontaine nun wahrlich genug vorgeführt bekommen vom Umgang von Politikern mit Geld, und zwar in einer sehr unappetitlichen Weise ... Wir werden nicht ruhen, bis die Parteienfinanzierung qua Fraktionsfinanzierung gesetzlich ausgeschlossen ist, bis hier das erforderliche Maß an Transparenz und Kontrolle vorliegt."

Winfried Werner (CDU) : "Es besteht in der Tat ein sachlicher Bedarf für eine Regelung der Rechtsstellung der Fraktion in politischer wie auch in finanzieller Hinsicht ... Ich sage aber auch deutlich in Richtung von Herrn Wieland: Wenn er hier so tut, als müsse Transparenz in finanzieller Hinsicht erst noch geschaffen werden, dann erweckt er wider besseres Wissen einen falschen Eindruck. Ich darf darauf hinweisen, dass wir auch bisher gerade in finanziellen Fragen eine Transparenz haben ... Das gleiche betrifft die im Gesetzentwurf angeregte Kontrolle durch den Rechnungshof. Sie findet in Berlin meines Wissens schon seit Jahren statt, und ich glaube, Berlin ist in dieser Richtung auch vorbildlich ... Die Fraktion ist keine Behörde; sie muss politische Arbeit leisten und im Detail muss überlegt werden, was die Maßstäbe der Prüfung für den Rechnungshof sein können ... Wir müssen diese Fragen sorgfältig diskutieren, weil es auch um Fragen der Stellung des Parlaments insgesamt geht."

Gesine Lötzsch (PDS) : "Wir fragen uns natürlich, warum die große Koalition die Erarbeitung eines Fraktionsgesetzes verschleppt hat - vor allen Dingen natürlich die CDU ... Wir unterstützen das Anliegen, mehr Transparenz in das politische Wirken der Parteien und natürlich der parlamentarischen Vertretung zu bringen, und der Mechanismus der Macht ... lässt dieses Anliegen von Tag zu Tag begreifbarer werden. Wir denken auch, dass die Bürger selbst sich ein Urteil bilden sollten über das Wirken der Fraktionen und nicht zuletzt auch daran, wie sie mit den finanziellen Mitteln umgehen, die ja schließlich vom Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden. Wir denken allerdings, dass ein Mangel dieses Gesetzentwurfs darin besteht, dass er sich lediglich auf die Rechtstellung und die Organisation sowie die finanziellen Fragen beschränkt; ... in so einem Gesetz sollte auch ein Beitrag geleistet werden zur Stellung von Fraktionen, vor allem der Opposition auf Chancengleichheit."

Horst-Achim Kern (SPD) : "Dass Parteien und Fraktionen ins Gerede gekommen sind und dass es auch Überversorgung gibt, das will ich hier überhaupt nicht in Abrede stellen ... Aber wo hat eigentlich bisher eine Fraktion etwas verschleiert, wo es die langjährige Übung gibt, dass der Rechnungshof alle zwei bis drei Jahre - und dann sehr scharf und sehr genau, insbesondere auch Wahljahre - prüft?

Wer das sagt, der sagt im Umkehrschluss, dass der Rechnungshof bisher versäumt habe, richtig zu prüfen ... Wenn Sie, Herr Wieland, wirklich etwas tun wollen im Sinne des geistigen Scharfrichters von Arnim, der durch die Lande zieht und den Versuch macht, den Parlamentarismus insgesamt zu untergraben, dann hätten Sie den Versuch machen müssen, festzulegen, dass der Rechnungshof inhaltlich die Rechnungen der Fraktionen prüft. Daran mogeln Sie sich natürlich vorbei ... Also inhaltlich darf man nicht prüfen, wenn Sie zum Beispiel Nicaragua mit Fraktionszuschüssen unterstützen. Man darf aber prüfen, ob Sie für dieses Konzept drei Angebote eingeholt haben."

Burkhard Cornelius: "Der Handlungsbedarf ist unbestritten ... Aber es ist zu überlegen, ob man die Frage der Rechtstellung der Fraktionen auf die Finanzierung der Fraktionen reduziert ... Die Chancengleichheit bei den Fraktionen ist eine wesentliche Frage, die auch in dieses Gesetz hineingehört ...

Sicherlich ist die Frage von Bedeutung, ob der Rechnungshof kontrolliert und prüft. Aber dafür reicht auch nicht der einfache Hinweis, dass das auf der Grundlage dieses Gesetzes zu erfolgen hat, denn der Rechnungshof prüft im Wesentlichen verwaltungsmäßige Strukturen, aber die Fraktionen sind keine verwaltungsmäßigen Strukturen ... Die Einbindungen und Einschränkungen, die in diesem Gesetzentwurf (der Grünen) enthalten sind, sind zu stark interpretierbar und ändern nichts daran, dass diese Überprüfung im Ergebnis in falscher Richtung erfolgen wird."

za

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