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Berlin: Die Küche geht an Occupy

Das Interieur des Bundespressestrandes wurde versteigert: Der Bundesadler schwebt nach Schwaben, die Tische reisen nach Kroatien.

Im Sekundentakt schnellen die weißen Zettel mit den Nummern in die Luft. 28, 71 und immer wieder die 122. Nach knapp einer Minute bleiben die Hände unten, die weißen Loungemöbel gehen für 2000 Euro an die 122. „Puh, mehr hätte ich auch nicht gezahlt“, sagt Esther Rausch von Traubenberg. Bei der Auktion des Bundespressestrand-Mobiliars am Mittwoch schlägt sie noch ein paar Mal zu. Zwei Lichtspiele für 120 Euro, eine Disko-Lichtanlage für 900 Euro, Tische und Stühle. Alles für eine Sommerbar in Kroatien.

Zur letzten großen Veranstaltung in der früheren Strandbar neben dem Hauptbahnhof kamen über 100 Gäste. Sie ersteigerten innerhalb von drei Stunden 80 Bierzeltgarnituren und 40 Tische für 630 Euro, einen Strandkorb für 60 Euro, 10 000 Plastikbecher für 400 Euro, eine Wasserpumpe für 40 Euro. Auch große Deko-Scheinwerfer, die einst im Tränenpalast hingen, fanden neue Besitzer. Der 1,5 Meter große Deko-Bundesadler aus Kunststoff, er soll mal im Bundestag gehangen haben, wird bald eine Hauswand in Baden-Württemberg schmücken. 130 Euro bot ein 56-Jähriger erfolgreich dafür, der eher zufällig Gast der Versteigerung geworden war. Manche Besucher allerdings zogen enttäuscht wieder ab, weil viele Dinge wie Möbel nur im Paket zu haben waren.

Zu den teuersten Angeboten zählte das 500 Quadratmeter große, zweistöckige Veranstaltungszelt, Neupreis 350 000 Euro. Mindestens 30 000 Euro wollte die frühere Barchefin Johanna Ismayr noch dafür haben, nur 20 000 Euro wurden geboten – das war Ismayr zu wenig, da will sie nachverhandeln. Mit den Einnahmen aus der Auktion will sie einen neuen Bundespressestrand eröffnen, möglichst im Regierungsviertel. Einen Standort gibt es aber noch nicht. Am jetzigen war nach neun Sommern Schluss, weil der Bund dort das neue Bildungsministerium bauen will.

Wann die Occupy-Aktivisten, die einen Teil der Fläche besetzt halten, ihre Zelte abbrechen, ist unklar. Am Montag muss Ismayr das Gelände an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) übergeben, die es wiederum Mitte des Monats dem Bauträger überlassen will. Demonstrant Daniel Mützel sagt, man habe von der Bima keine Frist zum Abzug gesetzt bekommen. Ohne ein zentral gelegenes Ersatzgrundstück werde man aber nicht gehen. Die Bima habe zwar einen Platz in Moabit angeboten, doch der komme nicht infrage. Das Unternehmen betont, dass nach einer einvernehmlichen Lösung gesucht werde. Dass bislang nicht geräumt worden sei, bedeute aber keine Duldung. Die Aktivisten ersteigerten derweil die Küche, die sie jetzt schon nutzen.

Johanna Ismayr hat indes nur ein Andenken von ihrer Bar behalten – das Schild vom Kinderstrand hängt schon zu Hause.

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