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Berlin: Die kugelsichere Weste wird Pflicht – im Kofferraum

Nach dem Amoklauf in Kreuzberg soll die Schutzausrüstung jetzt in jedem Streifenwagen liegen. Tragen müssen die Beamten sie aber nicht

NACH DER SCHIESSEREI IN KREUZBERG: WIE SICHER SIND BERLINS POLIZISTEN?

Von Katja Füchsel

und Werner Schmidt

Nach dem Amoklauf in Kreuzberg will die Polizei ihre Beamten auf Streife künftig verpflichten, kugelsichere Westen griffbereit im Einsatzwagen mitzuführen. „Künftig wird es bei den Schutzwesten ein einheitliches Verfahren geben“, sagt Polizei-Sprecherin Gabriela Gedaschke. Allerdings sollen Polizisten auch weiter individuell entscheiden können, ob sie die Schutzweste anlegen oder nicht. Gedaschke: „Das muss jeder Beamte selbst einschätzen.“

Der Kreuzberger Amokschütze Stefan H. hatte bereits zwei Menschen niedergeschossen, als am Montag zwei Einsatzwagen die Verfolgung aufnahmen. Sie stellten den 38-Jährigen an der Ohlauer Straße. Die drei Männer und eine Frau hatten ihn umringt und aufgefordert, die Hände zu heben. Keiner der Polizisten trug eine schusssichere Weste. Als der 43-jährige Polizist vom Abschnitt 53 den Mann überwältigen wollte, schoss ihn Stefan H. nieder. Er kam mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus.

Zwei der Beamten hatten die Westen im Wagen. Zwei hatten sie ganz auf der Wache gelassen. „Ein schwieriges Problem“, sagt Peter Trapp, Vorsitzender des Innenausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Von einer grundsätzlichen Verpflichtung, die Schutzweste anzulegen, hält auch der CDU-Politiker nichts. Manche Westen seien so schwer, „da ist man nach drei Stunden völlig kaputt“. Für Trapp gibt es nur eine Lösung, damit sich solche Szenen wie in Kreuzberg nicht wiederholen. „Im Rahmen der Fortbildung müssen Gefahrensituationen immer wieder durchgespielt werden.“ Nur so könne gewährleistet werden, dass sich die Polizisten in Gefahr „entsprechend“ verhalten und ihren „Jagdtrieb“ unterdrücken.

Der 26-jährige Streifenpolizist Marco Skladnikiewicz vom Abschnitt 54 an der Sonnenallee in Neukölln trennt sich im Dienst nur selten von seiner Schutzweste. Er zieht sie erst aus, wenn das Thermometer die 34- Grad-Grenze überschreitet. Er gibt zu, dass mit der etwa fünf Kilo schweren Schutzbekleidung das Ein- und Aussteigen in den Streifen-BMW deutlich schwieriger ist. Er zeigt aber auch, dass die Schutzwesten, die zur normalen Ausstattung der Funkstreifenwagen gehören, durchaus in den Kofferraum des BMW-Kombi passen.

Der Gesamtpersonalrat der Polizei hatte, wie berichtet, behauptet, der am Montag in Kreuzberg niedergeschossene Polizist und dessen 45-jährige Kollegin hätten ihre Schutzwesten auf der Wache gelassen, weil sie nicht in den Kofferraum des Fahrzeugs passten. Warum sie die Schutzausrüstung allerdings nicht im Wagen hatten, ist bisher nicht geklärt. Der Funkwagen war unterwegs, als die Besatzung von den Schüssen hörte und dem fliehenden Täter folgte. Die Zeit, vor dem Tatorteinsatz zurück zur Wache zu fahren und die fehlenden Schutzwesten zu holen, nahmen sie sich nicht.

Auch andere Polizisten hätten sich in einem ähnlichen Fall wohl nicht anders verhalten und wären auch ohne Schutzwesten sofort zum Tatort geeilt. Ein Streifenpolizist bestätigte gestern auf dem Abschnitt 54 dem Tagesspiegel: „Wenn ein Bürger sagt, da hinten läuft der Täter, dann renn ich los!“

Die neuen Polizei-BMW haben im Kofferraum deutlich weniger Stauraum als die alten VW-Busse. Häufig nehmen die Beamten auf ihre Streifen noch Taschen mit privaten Dingen wie Wechselbekleidung, Frühstücksbroten oder ähnlichem mit, sagte ein Direktionsleiter. Es sei vorstellbar, dass es dann für die Taschen mit den Schutzwesten keinen Platz mehr im Kofferraum gibt. Der ist durch ein Rollo abgedeckt, das immer zugezogen sein soll, damit Neugierige nicht sehen, was in den Streifenwagen alles transportiert wird (siehe rechts).

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