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Berlin: Die letzte Lücke am Pariser Platz ist geschlossen

Die Amerikaner feiern am Dienstag Richtfest für ihre neue Botschaft in Mitte. Die Vertretung soll 2008 eröffnet werden

Mit den Arbeiten ging es in den letzten Wochen sehr zügig voran, jetzt ist der Rohbau fertig, die letzte Lücke am Pariser Platz geschlossen, am Brandenburger Tor sieht es städtischer aus. Mit vielen Ehrengästen feiert US-Botschafter William R. Timken am morgigen Dienstag das Richtfest für die Vertretung seines Landes. Damit geht eine lange Planungsgeschichte ihrem Ende entgegen. Das Gebäude am Brandenburger Tor ist das erste Haus, das die USA eigens für ihre diplomatische Vertretung in Berlin errichten.

Die rund 180 Millionen Euro teure Vertretung entsteht unter strengen Sicherheitsvorkehrungen. Die Baustelle ist ständig überwacht, die Arbeiter werden genau kontrolliert. Um das Haus sind versenkbare Poller installiert, die Behrenstraße wurde leicht verlegt, um die von den Amerikanern geforderten Schutzabstände zu gewährleisten. Nicht zuletzt die Diskussion um die Sicherheit hat das Projekt um Jahre verzögert. Sie war nach den Anschlägen auf US-Botschaften in Afrika und den Angriff auf das World Trade Center vom 11. September 2001 dringlich geworden. Der aktuelle Zeitplan sieht vor, dass die amerikanische Botschaft 2008 eröffnet werden soll.

Schon 1993 hatte der damalige US-Botschafter Robert M. Kimmit auf dem Grundstück eine Tafel anbringen lassen, die an die einstige Botschaft erinnert und die künftige ankündigt. Das State Department schrieb einen Wettbewerb unter US-Architekten aus, den das Büro Moore, Rubel und Yudell aus Santa Monica gewann. Nun kommt die US-Botschaft an den Ort zurück, an dem einst das Palais Blücher stand, bis 1921 in Familienbesitz. Die USA interessierten sich drei Jahre später für ein neues Botschaftsgebäude, unterschrieben aber erst 1930 einen Vorvertrag. Im April 1931 brannte das Gebäude aus. Aber der Kauf kam zustande. Nach einer Beschreibung von 1936 bedurfte das Haus „an städtebaulich so hervorragender Stelle gewisser Ausbesserungen“. Wegen der Wirtschaftskrise ab 1929 und des Wahlkampfs 1932 sah sich das US-Außenministerium nicht in der Lage, die Schäden zu beseitigen. Franklin D. Roosevelt wurde 1933 in sein Amt eingeführt; gleichzeitig gewannen die Nazis die Wahlen und bestätigten Adolf Hitler als Reichskanzler.

Für Roosevelt, der für Hitler Verachtung empfand, musste ein Kenner Deutschlands Botschafter werden. Ernannt wurde der Historiker William Edward Dodd, der in Leipzig studiert hatte. Dodd wollte mit Hitler nichts zu tun haben, er mied Diners bei Regierungs- und Parteigrößen. Der Diplomat und seine Familie wohnten an der Tiergartenstraße zur Miete, die Botschaft residierte an der einstigen Bendlerstaße 39 (heute Stauffenbergstraße), wo sie bis 1939 blieb. Dodd war dagegen, das Haus am Pariser Platz auszubauen. Er wollte Hitler damit ärgern. Der Botschafter erhielt moralische Unterstützung seines französischen Kollegen André Francois-Poncet, der die Amerikaner vor einem Umzug warnte: zu viele Märsche, Kundgebungen.

Es gab Bemühungen der NS–Größe Hermann Göring, das Haus zu kaufen, sie wurden abgewiesen. Die städtische Verwaltung bat, mindestens die verkohlten Fenster auszubessern, die Olympischen Spiele von 1936 stünden bevor, und hier, am Pariser Platz, gaben ausgerechnet die Amerikaner ein schlechtes Bild ab. Auch das konnte Roosevelt und Dodd nicht bewegen. Die Botschaft blieb an der Bendlerstraße, an anderen Stellen im Tiergarten gab es das Konsulat, die Handelsabteilungen etwa an der Bellevuestraße.

Erst 1938 gab es Bewegung. Albert Speer wurde Generalbauinspektor, stellte sogleich seine Pläne für die gigantische Umkrempelung der Stadt vor. Diese sahen den weitestgehenden Abriss des Diplomatenviertels vor. Am 1. April 1938 kündigte Speer Verträge für Liegenschaften im Tiergarten, davon waren die USA stark betroffen, denn fast alle Diensträume waren hier zu finden. Innerhalb eines Jahres mussten sie neue Quartiere finden. Nun aber war Dodd nicht mehr in Berlin, sein Nachfolger Hugh Robert Wilson besann sich auf das Palais Blücher. 1939 bezog die US-Botschaft das Haus, allerdings ohne Botschafter. Denn am 16. November 1938 hatte Roosevelt Wilson aus Protest gegen die Reichspogromnacht vom 9. November zurückbeordert; die Vertretung arbeitete dennoch, unter anderem mit dem jungen Legationssekretär George F. Kennan, der einer der bedeutensten Diplomaten seines Landes werden sollte und 2005 starb. Die Visa-Abteilung lag an der Tiergartenseite, der damals umbenannten Hermann-Göring-Straße. Jüdische Ausreiseanträge mussten fortan an diese Anschrift gerichtet werden.

Die Vertretung arbeitete am Pariser Platz nur 32 Monate, bis Dezember 1941. Niemals hat dort ein Botschafter amtiert. Hitlers Angriffe auf Polen, Frankreich und England führten zu keinem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Deutschland. Aber die USA montierten die Buchstaben USA auf das Dach, damit sie aus der Luft erkannt werden konnten. Erst nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbour kam es zu den Kriegserklärungen zwischen Japans Verbündetem Deutschland und den USA am 11. Dezember 1941.

Das Personal der Botschaft wurde anschließend in Bad Nauheim interniert, das Berliner Haus durch die neutrale Schweiz verwaltet und unterhalten. Am Kriegsende war das Gebäude eine Ruine; erst 1957 ließen die Behörden Ost-Berlins die Ruine abtragen.

Michael S. Cullen, Christian van Lessen

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