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Berlin: Die Liebe zum Detail

Lutz arbeitet in Paris und zeigt zum ersten Mal seine Mode in Deutschland

Bevor Lutz Hülle mit einer neuen Kollektion beginnt, schaut er in seine Notizbücher. Dort steht alles, was ihm in den letzten Monaten auf der Straße, in Cafés oder in Supermärkten aufgefallen ist: Wie ein Mantel geknöpft ist oder sich ein Rock beim Sitzen in Falten legt. „Manchmal dauert es Monate, bis sich daraus etwas materialisiert.“

Bei Lutz Hülle ist alles ganz einfach: Seine Mode verkauft er unter dem Namen Lutz, sein Ausgangspunkt ist immer das Kleidungsstück. In seinen Kollektionen spielen weder ferne Geschichtsepochen noch geografische Vorlieben eine Rolle. Stattdessen arbeitet sich der 38-Jährige an traditionellen Details ab: Wo könnte man eine Knopfleiste anbringen? Wie fällt der Stoff? Es kommt vor, dass er an der Daseinsberechtigung eines klassischen Elements zu zweifeln beginnt: „Warum ist ein Revers ein Revers? Entspricht es noch den heutigen Bedürfnissen? Wie könnte ich es verbessern?“

So, wie Lutz Details verändert, unterläuft er auch Kleiderordnungen. Er vermischt zum Beispiel Sportswear mit Abendgarderobe: Bei einer Bomberjacke ersetzt er das Strickbündchen durch ein Satin-Revers. „Wenn man die Hände in den Taschen der Bomberjacke ballt, hat das etwas sehr elegant Aggressives. Warum soll man sich in einer Abendjacke nicht wohl und geschützt fühlen?“ Dass die Trägerin seiner Kleidung Irritation auslöst, ist ganz in seinem Sinne: „Wenn man ein Kleidungsstück nicht versteht, kann man die Person nicht einordnen. Das lässt dem Träger mehr Freiraum.“

Aus diesen Gedankengängen entsteht zwei Mal im Jahr eine Kollektion, die bei der Pariser Modewoche gezeigt wird. In der französischen Hauptstadt fühlt Lutz sich als Designer ernst genommen: „Was komisch ist, schließlich bin ich kein französisches Nachwuchstalent.“ Aber immerhin lebt und arbeitet er seit über zehn Jahren in Paris. Zuerst als Assistent des belgischen Designers Martin Margiela, bis er 2000 seine eigene Firma gründete. Zum ersten Mal trat er als Model in einer Modegeschichte für das Magazin ID an die Öffentlichkeit – fotografiert von seinem Jugendfreund, Wolfgang Tillmans.

Inzwischen ist es 15 Jahre her, seit er Deutschland verließ, um in London an der Modeschule Central Saint Martins Design zu studieren. Das Chaos, auf das er dort als ordnungsliebender Deutscher traf, öffnete ihm ganz neue Welten. „Am Anfang machte es mir Angst, dass es keine festen Regeln und Strukturen gab, aber heute kann ich gut mit der Mischung aus Chaos und Ordnung leben.“

An diesem Wochenende stellt Lutz seine Frauen-Kollektion für Winter 2005/06 zum ersten Mal in Deutschland auf der Premium aus. „Berlin ist der Ort, an dem man etwas tun sollte.“ Er würde gern in Deutschland leben. Wenn, ja wenn, es hier eine vernünftige Infrastruktur mit Produktionsstätten und Modenschauen gäbe. „In Deutschland müsste ein größeres Interesse an Mode geweckt werden, nicht nur am Produkt, das man verkaufen kann. So lange das nicht so ist, gibt es keinen Niveausprung und Berlin bleibt hinter dem zurück, was es für die Mode sein könnte.“ Freuen würde es ihn, wenn ihm hier eine Frau über den Weg liefe, die Lutz trägt. „Dann sieht man, dass man als Designer seine Arbeit richtig gemacht hat."

Lutz gibt es bei Andreas Murkudis, Münzstraße 21, 2. HH (Mitte)

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