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Berlin: Die Mehrheit ist klar Alles eine Stilfrage

Nach seiner Wahl muss ein neuer Bundespräsident erst mal viel lernen

Wer wählt:

Insgesamt 1205 Wahlmänner und Frauen, die so genannte Bundesversammlung, wählt heute im Reichstag den Bundespräsidenten. Neben den 602 Bundestagsabgeordneten sind es 603 Vertreter aus den Bundesländern.

Zusammensetzung :

CDU und CSU stellen diesmal mit 539 Stimmen die stärkste Gruppe. Die SPD zählt 459, die FDP 83, Bündnis 90/Grüne 90, die PDS 31 Stimmen, sonstige drei.

Wie wird man eigentlich Bundespräsident? Am Anfang steht die Wahl, das ist klar. Wenn dieser Gipfel erklommen ist, kommen die Mühen der Ebenen. Man muss das Amt kennen lernen, die Aufgaben, natürlich auch die Befugnisse. Und man muss Entscheidungen treffen.

Was die menschlichen Ressourcen betrifft, fällt ein neuer Bundespräsident weich. Im Bundespräsidialamt wie auch im Auswärtigen Amt sind vorzugsweise Leute beschäftigt, denen man die Behörde nicht mal von ferne anmerkt. Sie verbinden in aller Regel hohe Kompetenz mit einer ausgesprochen netten Ausstrahlung

Vieles liegt fest, aber ein Präsident hat natürlich auch eine Menge Gestaltungsmöglichkeiten. Jeder setzt seine eigenen Akzente. Wo sollen die ersten Reisen hinführen? Gemeint sind durchaus nicht Staatsbesuche, sondern die kleinen Antrittsbesuche in den Nachbarländern, die, auch wenn sie nur atmosphärische Akzente setzen, sich natürlich auch auf das politische Klima auswirken können. Polen und Frankreich sind wahrscheinliche Ziele. Möglicherweise kommt auch ein Kurzbesuch in den USA auf die Agenda.

Ein Briefing wird es unter anderem von Bernhard von der Planitz geben, Deutschlands oberstem Protokollchef. Der ist nicht nur dafür zuständig, Staatsgäste am Flughafen abzuholen und dort auch wieder zu verabschieden. Klimatische Feinheiten unter anderem bestimmen sein politisches Instrumentarium. Er organisiert auch Auslandsbesuche, egal ob es sich dabei um eher informelle Visiten handelt oder um Staatsbesuche mit großem Prunk. Und er betreut die hier akkreditierten Diplomaten. Ob USA oder Burkina Faso, jeder neue Botschafter, der sein Amt antritt, muss sein Beglaubigungsschreiben dem Bundespräsidenten übergeben. Auch dieses Zeremoniell will gelernt sein. Von beiden Seiten. Es gibt aber nicht nur politische Fragen zu entscheiden, sondern auch stilistische. Deren Bedeutung ist nicht zu unterschätzen in einer Zeit, da dank der Computer die knöchernen Details der Politik eher Referentensache sind, die Chemie zwischen Ländern aber auf einer atmosphärischen Ebene gemacht wird.

Schließlich wird über Staatsbesuche zu entscheiden sein, die traditionell besonders aufwändig sind, den beteiligten Ländern aber auch Gelegenheit geben, sich darzustellen. Repräsentative Pflichten, wie sie der Bundespräsident ausübt, sollte man nicht unterschätzen. Richard von Weizsäcker hat das Schloss Bellevue zu einem Forum für Intellektuelle gemacht. Roman Herzog hat der Wirtschaft eine Plattform geboten, auf der sie sich gut in Szene setzen konnte. Und Johannes Rau hat ein Fanal für die Menschlichkeit gesetzt, indem er immer wieder Individuen und Gruppen, die sich für andere Menschen einsetzen, eingeladen hat.

Das Schloss Bellevue selber hat erst mal Pause, das wird den neuen Präsidenten sicher vor eine logistische Herausforderung stellen. Das Amtszimmer im Bundespräsidialamt ist weit entfernt von den Orten, an denen in den nächsten 15 bis 18 Monaten repräsentative Ereignisse stattfinden werden. Für Zusammenkünfte im kleineren Kreis steht das Gästehaus des Auswärtigen Amts in der Pacelliallee zur Verfügung. Für die großen Staatsbankette geht es ins Schloss Charlottenburg. Für den neuen Präsidenten mag das gewöhnungsbedürftig sein. Wiederholungstäter unter den Staatsgästen könnten dort aber nostalgische Erinnerungen pflegen. Falls die Queen tatsächlich noch mal zu einem Staatsbesuch nach Deutschland kommt, könnte sie sich dort an ihren Besuch 1965 erinnern, als Berlin noch unter Alliiertenstatus stand. Demzufolge war sie damals nämlich auch Königin von Charlottenburg.

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